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Wenn der Notstand zu Normalität wird: Die Demokratur

Nach Verabschiedung des novellierten Infektionsschutzgesetzes läuft nicht nur die deutsche Demokratie Gefahr, sich einem chinesischen Gesellschaftsmodell anzunähern. 


Tom-Oliver Regenauer | 27.04.2021 | Lesezeit: 6 Minuten

»Es gibt keine grausamere Tyrannei als die, welche unter dem Deckmantel der Gesetze und mit dem Scheine der Gerechtigkeit ausgeübt wird; denn das heißt sozusagen Unglückliche auf der Planke ertränken, auf die sie sich gerettet haben.« (Charles Baron de Montesquieu, 1689-1755)


Ich schreibe seit Monaten über diese zähflüssige Corona-Krise und ihre flankierenden gesellschaftspolitischen Entwicklungen. Treffender – sozialpolitische Desaster. Der Ausnahmezustand scheint kein Ende zu nehmen. Der zweiwöchige »Wellenbrecher« dauert seit Monaten an. Corona lässt die Uhren langsamer laufen. Tage gleichen sich. Die Nachrichten sind ein Mix aus monotoner Panik-Dauerschleife und suggestiver Narrativ-Propaganda. Jedes Medium schürt Angst. Täglich grüßt das Murmeltier.


Vieles läuft nicht erst seit COVID-19 falsch in Deutschland und der EU. Und vieles passt schon länger nicht mehr in das Bild einer aufgeklärten, offenen und freien Gesellschaft. Den Humanismus hat man im progressiven Westen zu großen Teilen hinter sich gelassen. Technokratie ist auf dem Vormarsch. Und eine Bewunderung für das chinesische Gesellschaftssystem. Wobei man einen vergleichbaren Lockdown-Fanatismus wie in Deutschland auf europäischer Ebene derzeit vergeblich sucht. Merkel und ihr Corona-Zirkel handeln besonders ideenarm, dogmatisch, totalitär – aber natürlich alternativlos.


Trotz der stetig autoritärer werdenden Züge des staatlichen Handelns habe ich es bisher bewusst vermieden, das Wort »Diktatur« zur Beschreibung der hiesigen Umstände zu verwenden. Nach der Verabschiedung des im Schweinsgalopp durch die Instanzen gepeitschten, novellierten Infektionsschutzgesetzes am 21. April 2021, muss man sich nun aber ernsthaft mit der Frage auseinandersetzen, welche Staatsform in Deutschland herrscht, nachdem der Föderalismus »temporär« abgeschafft wurde. Eine Demokratur?


Denn auch wenn das Ende der aktuellen pandemischen Notlage auf Ende Juni terminiert wurde, kann man schon heute die Prognose wagen, dass diese verlängert, beziehungsweise nach der Bundestagswahl reaktiviert und zur Umsetzung weiterer kontroverser Agenden instrumentalisiert werden wird. Warum sollte es anders laufen als im vergangenen Jahr? Nach der Pandemie droht der Klima-Lockdown. Karl Lauterbach fordert diesen vorsorglich schon jetzt. Denn das Virus verliert an Schrecken. Man sucht den nächsten Hebel, um Machtbefugnisse des Staates auszuweiten. Und wenn der Ausnahmezustand zur Normalität wird, ist ernsthafte Gefahr für die Demokratie in Verzug.


»Wer einmal mit dem Notstand spielen sollte, um die Freiheit einzuschränken, wird meine Freunde und mich auf den Barrikaden zur Verteidigung der Demokratie finden, und dies ist ganz wörtlich gemeint.« (Willy Brandt, Bundeskanzler 1969 – 1974)

 

Leider ist Willy Brandt tot und kann sein Versprechen nicht einlösen. Und auch seine Freunde haben der Demokratie nicht geholfen, als ihre Fassade in den vergangenen Monaten massiv zu bröckeln begann. Der Corona-Notstand wurde benutzt, um den Föderalismus auszuhebeln und die Gewaltenteilung aufzuweichen. Widerspruch, gegen den nun in Gesetze gegossenen Ausnahmezustand, ist jetzt nur noch vor dem Bundesverfassungsgericht möglich – dessen Präsident, Stephan Harbarth, jedoch ein umstrittener Protégé der Kanzlerin ist und ihr seinen exponierten Job verdankt.


Dieser offensichtliche Interessenkonflikt wird das BVG künftig wohl kaum daran hindern, mehrheitlich zu Gunsten des Regierungskurses zu entscheiden. Und für den Normalbürger ist eine Klage vor dem BVG ohnehin kaum keine Option. Zudem kann das BVG jede Verfassungsbeschwerde ohne Begründung ablehnen. Diese Entscheidung ist nicht einmal anfechtbar. Ohne Amts-, Landes-, Verwaltungs- und Oberlandesgerichte wird es für den einfachen Bürger also kaum möglich sein, sich juristisch gegen staatliche Übergriffigkeit und exekutive Unverhältnismäßigkeiten zur Wehr zu setzen. Ganz zu schweigen von den Zwängen der aufziehenden Impf-Apartheid. Demokratie geht wahrlich anders.


Nachdem bei einem Familienrichter aus Weimar vor wenigen Tagen eine Hausdurchsuchung stattfand, sein Handy sowie vertrauliche Unterlagen beschlagnahmt wurden, ist nun auch an der Unabhängigkeit der weniger politisierten Instanzen der dritten Gewalt zu zweifeln. Der Mann hatte lediglich ein Urteil gefällt, das dem offiziellen Virus-Narrativ der Merkel-Regierung widerspricht. Jetzt versucht die Staatsanwaltschaft, ihm Rechtsbeugung zu unterstellen. Der Staat geht gegen unliebsame Rechtsprechung vor.


Deutschland ist eine repräsentative Demokratie, vertraut also Abgeordneten die Aufgabe an, die Stimme ihrer Wähler im Parlament zu vertreten und sich für deren Bedürfnisse einzusetzen. Im Gegensatz zur Schweiz, wo der Souverän mit Volksabstimmungen und weiteren Mitteln direkt Einfluss auf die Politik zu nehmen vermag. Spitzenpolitiker in Deutschland haben Volksabstimmungen und Elemente direkter Demokratie in der Vergangenheit aber immer wieder als Unding abgelehnt und nahezu verteufelt. Heute sehen wir das Ergebnis dieser Ignoranz gegenüber dem Souverän. Willkür und Korruption.


Im Kanzleramt entscheidet ein fanatisches NoCovid-Zentralkomitee im Elfenbeinturm des Corona-Kultes über das Wohl eines ganzen Landes und propagiert hysterisch einen würdelosen Hygiene-Wahn. Und es bereichert sich dabei schamlos.


In den 2000er-Jahren ist eine neue Kaste von Politikern entstanden. Infiltriert, manipuliert und korrumpiert von Hochfinanz, dem digital-industriellen Komplex und Big-Pharma. Lobbyismus und Korruption in Deutschland haben ungeahnte Ausmaße angenommen. Leider kommen diese Machenschaften nur selten ans Licht – weil entsprechend formulierte Gesetze die Korruption institutionalisiert und legalisiert haben, sodass es kaum zu Anklagen kommt. Sollte doch einmal ein Skandal öffentlich werden, stehlen sich die betrügerischen Volksvertreter meist ungeschoren davon, um wenig später einen Top-Job oder ein Berater-Mandat in ihnen nahestehenden Wirtschafts-Cliquen anzunehmen.


Der Kooperatismus von Politik, Wirtschaft und Finanzwelt ist nahezu total. Und die Dreistigkeit des Betrugs an der arbeitenden Bevölkerung nimmt stetig zu. Der Fall »WireCard« hat dies unlängst wieder bewiesen. Bereicherung und Machtgier. Inflationär werden Bereiche staatlicher Verantwortung an private Unternehmen oder andere Nichtregierungsorgane übertragen. Outsourcing der Demokratie. Bestes Beispiel im Rahmen der Corona-Krise: Die Zensur von unliebsamen, meist als »medizinische Fehlinformation« abgeurteilten Inhalten. YouTube und Co. verbannen, zensieren oder löschen unter feudalstaatlicher Ägide was nicht dem offiziellen Kurs entspricht. Zum Schutz der Demokratie, so der Europäische Datenschutzausschuss. Es ist schizophren.


In Australien ist man in Sachen Online-Zensur schon einen Schritt weiter. Ruft man über Social-Media-Kanäle zu friedlichen Protesten auf oder versucht, gegenläufige Meinungen zu verbreiten, muss man innerhalb kürzester Zeit mit Besuch von der Polizei rechnen, die Querulanten unmittelbar vor Ort zu den betreffenden Inhalten vernimmt und u.U. direkt weitere Maßnahmen einleitet.


In Deutschland fährt noch nicht sofort der Streifenwagen vor, wenn man sich kritisch im Internet äußert, man wird nicht verschleppt oder umgebracht – drastisch negative Folgen hat es aber mittlerweile allemal, nicht die Mehrheitsmeinung zu vertreten. Angesehene Wissenschaftler, Richter, Anwälte, Unternehmer oder Journalisten werden ausgegrenzt, diffamiert, ruiniert. Arbeitsverträge werden gekündigt, Reputationen vernichtet, Konten gesperrt, Veranstaltungen abgesagt. All das nur, weil man eine abweichende Meinung vertritt. Trotzdem rügt die Regierung Merkel das dunkle Russland, ob der Presse- und Meinungsfreiheit. Obwohl Deutschland selbst jüngst im Ranking der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen von »gut« auf »zufriedenstellend« herabgestuft wurde.


Wer hinter dem Schleier der Pseudo-Solidarität und im Rausch seines Gutmenschentums noch immer nicht zu erkennen vermag, dass nicht nur die Meinungsfreiheit, sondern die Demokratie als solches in Gefahr ist, dem waren beide Punkte wohl schon vor Corona nicht viel wert. Es ist nicht exakt abzusehen, wohin sich das gesellschaftspolitische System in Deutschland entwickeln wird. Aber die Herrschenden scheinen sich explizit an einem Vorbild zu orientieren: China.


Der digitale Impfausweis, verknüpft mit der Corona-Warn-App, später vielleicht auch der digitalen Bürger-ID, den Bonitätsdaten, dem Führungszeugnis, dem Browser-Verlauf sowie anderen persönlichen Informationen, öffnen die Türe für nie dagewesene Überwachung. In den falschen Händen sind die digitalen Helfer der Zukunft mächtige Instrumente der Manipulation, Machtausübung und Unterdrückung. Und im Kontext zunehmender Sympathiebekundungen der westlichen Regierungen für das chinesische Krisenmanagement während der Pandemie muss man annehmen, dass die Europäer der Zukunft ein vergleichbar totalitäres und zentralistisches System erwartet. Die Pandemie wirkt für diese Pläne wie ein Steroid.


Auf dem Papier ist Deutschland noch eine Demokratie. Auch wenn das Land bereits jetzt wie eine Demokratur wirkt. Wenn die epidemische Lage Ende Juni nicht für beendet erklärt und jedes Grundrecht wieder uneingeschränkt hergestellt wird, wenn der Notstand zum Normalzustand werden soll, dann muss unumwunden von einer Diktatur gesprochen werden. Sie wird sich nicht gebärden wie die Regime von Stalin, Hitler oder Mao – aber sie wird ihr Volk vermutlich deutlich effektiver, weil digital, zu kontrollieren wissen. Mehrere Länder verhandeln bereits mit China und wollen das dortige Social-Scoring-System implementieren. Diktatur als digitaler Exportartikel. Demnächst auch im Westen.


Egal, ob man die künftige Staatsform hierzulande Totalitarismus, Diktatur, Faschismus, Sozialismus, Technokratie oder Kooperatismus nennen möchte – im Ergebnis bedeutet alles das gleiche: Tyrannei.


Foto: Mika Baumeister

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