Tom-Oliver Regenauer | 26.10.2024
Hinweis: »Adaptive Übersetzung« meint, dass die vorliegende Übersetzung dem Inhalt des Vortrages folgt, ich mir jedoch die Freiheit genommen habe, Anpassungen zugunsten der Lesbarkeit vorzunehmen. Zum einen habe ich Ausdrücke, die im Deutschen keine gängige Entsprechung haben, angepasst. Zum anderen habe ich umgangssprachliche Passagen so optimiert, oder geringfügig erweitert, dass sich ein gut verständlicher und flüssig lesbarer Fließtext ergibt.
Präambel
Demokratie: Eine Mehrheit assoziiert mit diesen zehn Buchstaben eine freiheitlich organisierte Grundordnung, Rechtsstaatlichkeit, Chancengleichheit, Partizipation, Pressefreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung. Bis heute. Unbeirrt. Obwohl die Lebensrealität der meisten Menschen seit geraumer Zeit nichts mehr mit diesen Attributen gemein hat. Folgsam bis widerwillig marschiert die Masse im gewohnten Turnus gen Urne und beurkundet ihre Auswahl. Wählt das kleinere Übel. Ob aus Überzeugung, Gewohnheit, oder Protest. Sie tun es. Immer wieder. In der Hoffnung, die nächste Legislaturperiode möge die Kehrtwende bringen. Vergeblich. Denn Demokratie ist strukturell darauf angelegt, sich nicht ändern zu müssen. Egal, wie enthusiastisch, gleichgültig oder erzürnt man seinen Fetzen Papier mit irgendwelchen Kreuzchen versieht. Der generelle Kurs wird – und kann sich gar nicht ändern.
»Das Argument, dass die beiden Parteien entgegengesetzte Ideale und politische Ansichten vertreten sollten, eine vielleicht rechts, die andere links, ist eine törichte Idee, die nur für doktrinäre und akademische Denker akzeptabel ist. Stattdessen sollten die beiden Parteien nahezu identisch sein, sodass das (…) Volk die Schurken bei jeder Wahl rauswerfen kann, ohne dass es zu tiefgreifenden, umfassenden Veränderungen kommt. Politische Pläne, die (…) notwendig sind, sind so nicht länger Gegenstand großer Meinungsverschiedenheiten, sondern nur noch in Einzelheiten des Verfahrens, der Priorität oder der Methode umstritten.« (Carroll Quigley, Tragedy and Hope, 1966, S. 1247)
Wollte man dem Konzept der repräsentativen Demokratie noch etwas abgewinnen, wäre es, dass es nicht für ein Diktat der Mehrheit, sondern für ein Protektorat der Minderheit stehen soll. Dass es auch damit nicht allzu weit her ist, erläuterte Roger Willemsen schon 2014 auf einem Fachkongress für Public Relations. Gebracht hat es nichts. Kaum verwunderlich. Entstand die Sozialdemokratie des Wertewestens doch auf dem Reißbrett angelsächsischer Imperialisten, die darin ein Substitut für das in Verruf geratene Empire sahen. Sie wollten dessen Vormachtstellung über die Epoche der Monarchie hinaus sichern. Mit Erfolg. Früher huldigte man dem König. Heute der Regierung. Sonst hat sich kaum etwas geändert – außer, dass man sich als »mündiger Bürger« nun durch die Instanzen klagen und alle Jahre wieder selbst auswählen darf, von wem man unterdrückt werden möchte.
Ernüchternd ist dabei vor allem, dass die meisten Menschen nicht über das Herrschaftssystem Staat hinausdenken, sich kein Leben, keine Gesellschaft, keine Wirtschaft, keinen Kulturbetrieb ohne Staat ausmalen können. Obwohl die direkte Interaktion mit ihren Artgenossen das organischste Modell sozialer Organisation darstellt. Eine kluge wie unterhaltsame Rede (hier auf Deutsch) des Voluntaristen, Autors und Filmemachers Larken Rose bei Liberty on the Rocks 2023 zeigt auf, warum Demokratie nicht fair sein kann – und warum Herrschaft in Form von Regierung stets illegitim, amoralisch und gewalttätig ist.
Vortrag von Larken Rose
Mein Name ist Larken Rose. Ich bin ein komischer Kauz. Und das mit Überzeugung.
Gibt es etwas Unangenehmeres, als mit jemandem zu sprechen, der seltsame Überzeugungen hat, die nicht mit dem übereinstimmen, was du denkst, der dir aber unbedingt alles darüber erzählen will? Für gewöhnlich ist das unangenehm. In der Regel ist es auch sinnlos, weil man ihm nicht wirklich zuhört. Man lächelt vielleicht und nickt, wenn man höflich sein will. Meistens sucht man aber nur nach einer Chance, die Flucht zu ergreifen – denn es ist einem egal, was der andere denkt – und, weil man befürchtet, er spricht über seltsame Dinge, die einem nichts bedeuten. Man glaubt nicht, was er glaubt. Ihm ist wahrscheinlich auch egal, was du denkst. Denn du bist nur sein aktuellstes Opfer, dem er jetzt all seine Gedanken entgegenwerfen muss. Er will dich in etwas hineinquasseln, was dich nicht interessiert. So ist die ganze Situation irgendwie sinnlos und unangenehm für alle Beteiligten. Und nervig. Und langweilig. Und irritierend.
Ja, für den Rest der Welt sind wir manchmal seltsame Typen. Ich sage das besonders über diese Versammlung hier. Denn wir alle müssen lernen, was es braucht, damit andere Leute sich für das, was wir zu sagen haben, interessieren. Damit sie nicht einfach denken, dass es ihnen egal ist. Dass es irgendwie verrückt klingt. Dass wir sie damit in Ruhe lassen sollen.
Ich möchte also gleich zu Beginn stolz zugeben, dass ich im Vergleich zum Rest der Welt ein komischer Kauz bin. Denn ich bin Anarchist. Gut, ich besitze keine schwarzen Skimasken und habe nie einen Molotow-Cocktail hergestellt. Ich bin vielleicht ein bisschen antisozial, oder zumindest soziophob – das ist eigentlich die treffendere Beschreibung – aber das liegt nur daran, dass ich introvertiert bin. Ein Introvertierter, der regelmäßig vor Menschenansammlungen spricht. Ein bisschen widersprüchlich, aber was soll's. Für viele Menschen, ich würde sagen für den größten Teil der Welt, hat der Begriff Anarchist diese Konnotation von: »Jeder ist sich selbst der Nächste«. Vom Überleben des Stärkeren, dem Recht des Stärkeren. Von Mad Max, Zombie-Apokalypse und gewalttätigem Chaos. Nun, ich muss ihnen mitteilen, dass ich nichts davon gut finde. Ich möchte nicht, dass irgendetwas davon passiert. Ich bin ein großer Fan von sozialer Organisation und freiwilliger Zusammenarbeit. Ich bin ein großer Fan von Technologie und Fortschritt. Ich möchte nicht auf den Entwicklungsstand von Höhlenmenschen zurück. Wenn sie das wollen, ist das in Ordnung. Ich werde sie nicht aufhalten. Ich glaube an ein friedliches Zusammenleben. An Friede auf Erden. An Wohlwollen den Menschen gegenüber. In dieser Hinsicht bin ich also eher eine Art Langweiler, ein Musterknabe – was verrückte Typen angeht – kein blutrünstiger Irrer, der eine schwarze Flagge schwenkt und auf den Zusammenbruch der Zivilisation hofft. Tut mir leid, wenn das ein wenig enttäuschend sein sollte.
Meine Vorliebe für Frieden, Wohlstand, Kollaboration und glückliche Menschen ist also offensichtlich nicht der Grund dafür, dass der Mainstream in mir einen seltsamen Verrückten sieht. Aber was macht mich dann zu einem Spinner, der abseits des Mainstreams steht? Nun, ich möchte hier einige Dinge thematisieren, mit denen die meisten Menschen in meinen Augen nicht konform gehen. Und jeder von ihnen, ob sie hier vor Ort sind, oder sich die Rede später online ansehen, kann für sich entscheiden, mit welchen Teilen dieser verrückten Einstellung er einverstanden ist – und mit welchen nicht. Vielleicht ändern sie bei ein paar Punkten ja sogar ihre Meinung. Aber das werden wir sehen.
Bin ich zum Beispiel ein Fan von Recht und Ordnung? Nein, überhaupt nicht. Das mag jetzt vielleicht seltsam klingen, wenn man bedenkt, dass ich gerade gesagt habe, dass ich freiwillige Zusammenarbeit, Organisation, Fortschritt, Technologie und all das mag. Wie könnte ich also kein Fan von Recht und Ordnung sein? Fangen wir mal mit der Ordnung an. Ja, ich mag eine organisierte, freiwillige und friedliche Ordnung. Das ist großartig. Eines der besten Beispiele für Ordnung, das mir einfällt – und damit meine ich nicht auf moralischer Ebene gut – sondern einfach in puncto Ordnung, ist das Gefängnis. Es ist wirklich sehr ordentlich dort. Man weiß, wo man essen wird. Man weiß, wo man schlafen wird. Man weiß, was man haben darf. Es ist sehr präzise und ordentlich – und es ist irgendwie scheiße. Also nein, Ordnung ist nicht automatisch eine gute Sache. Nun, sie kann es sein. Aber die Ordnung der tyrannischen Regime der Geschichte?
Es gab ja auch viel Ordnung unter dem KGB in der Sowjetunion, es gab viel Ordnung bei Maos großem Sprung nach vorne, während zig Millionen Menschen verhungerten. Sie verhungerten sehr geordnet. Sie kannten ihre Rolle im großen Plan sehr genau. Und dann gibt es natürlich die Faschisten Mussolini und Hitler, die dafür bekannt waren, wie ordentlich und organisiert alles lief. Nein, ich bin kein großer Fan dieser Art von Ordnung.
Aber was ist mit dem Gesetz? Mit »Law and Order«? Nun, das ist ein Thema, bei dem wir uns mit Dingen befassen, über die die meisten Menschen nie nachgedacht haben. Sie haben nur diese vagen Assoziationen. Die meisten Menschen denken bei Recht und Ordnung, oder auch nur bei Recht, an etwas, das die Gesellschaft erschaffen hat, um böse Menschen davon abzuhalten, Böses zu tun. Um unschuldige Menschen zu schützen. Ich bin voll und ganz für den Schutz unschuldiger Menschen. Das hat aber nichts mit Recht und Gesetz zu tun. Ja, es gibt gelegentlich einen winzigen Prozentsatz von Gesetzen und Vorschriften, die von Regierungen und den herrschenden Klassen erlassen werden, die sinnvoll sind, weil sie besagen, dass man nicht stehlen und Menschen ermorden soll.
Und ich bin voll und ganz dafür, Menschen vom Stehlen und Morden abzuhalten. Aber die Tatsache, dass diese Dinge schlecht sind, liegt nicht daran, dass sich Politiker hingesetzt und ein Gesetz dazu geschrieben haben. Diese Dinge waren bereits schlecht.
Richtig schlecht wird es aber erst, wenn Politiker sich hinsetzen und das tun, was sie die meiste Zeit tun. Nämlich Gesetze verfassen. Gesetze, die besagen, dass man jedes Mal, wenn man einen Hut trägt, oder auf die Toilette geht, oder irgendetwas anderes tut, eine Steuer in dieser und jener Höhe zu entrichten hat – was legalisierter Diebstahl ist. Also nein, das Gesetz ist nicht freiheitsfreundlich. Es richtet sich nicht gegen Diebstahl. Es richtet sich nicht einmal gegen Mord. Es folgt nur den Launen von Politikern. Aber uns wird beigebracht, dass diese Vorstellung von Recht korrekt ist. Als wären es nicht nur Drohungen.
Würden sie ihre Mitmenschen fragen, ob sie stolz darauf sind, Drohungen von Politikern zu gehorchen, würden diese es angewidert verneinen. Niemals! Sie würden angeben, dass sie Befehlen nur dann folgen, wenn sie befürchten müssen, erwischt zu werden. Und das auch nur, weil der Staat besser bewaffnet ist. Nein, niemand ist stolz darauf, sich von Bedrohungen einschüchtern zu lassen. Was aber wäre, wenn wir diese Drohungen nehmen und Gesetz nennen? Wir sprechen über die Gesetze unseres Landes, als wären diese organisch entstanden. Tun so, als wäre das Gesetz etwas Besonderes. Etwas Übermenschliches. Etwas Magisches. Sehen jene, die das Gesetz nicht respektieren, als Abschaum. Nun, ich respektiere das Gesetz in keinster Weise – weil ich es als das erkenne, was es ist. Es ist nicht das Wesen des Guten. Es verkörpert die Willkür von Psychopathen. Also nein, ich bin kein Fan von Gesetzen.
Ich weiß, dass einige Leute den Begriff Naturgesetz verwenden, um zu beschreiben, wie Menschen miteinander umgehen sollten. Um die natürliche Ordnung der Dinge, die natürliche Moral und dergleichen zu erklären. Der einzige Grund, warum ich diesen Begriff normalerweise nicht verwende, ist, dass so viele Leute den Begriff Gesetz mit Gesetzgebern, mit Legislative assoziieren. Mit Menschen, die Befehle erteilen. Das hier musst du tun – das hier darfst du nicht tun. Mich kostet es einfach zu viel Mühe, jedes Mal zu erklären, dass es da ein Gesetz gibt, das absolut nichts mit dem zu tun hat, was die meisten Menschen denken, wenn sie das Wort Gesetz von den Sprechern der ehemaligen Mainstream-Medien hören. Ein Gesetz ist nur ein Befehl. Es ist nur eine Drohung. Es ist eine Androhung von Gewalt.
Ich glaube, dass Gewaltandrohungen gelegentlich sogar gerechtfertigt sind. Wenn jemand um zwei Uhr morgens mit einer Axt in ihr Haus einbricht und sie eine Waffe haben, empfehle ich ihnen dringend, dem Einbrecher damit zu drohen, ihn zu erschießen. Wenn das nicht fruchtet, müssen sie ihn vielleicht tatsächlich erschießen – was bedauerlich wäre. Aber was soll's. Er ist eingebrochen. Ich bin also nicht einmal gegen Gewaltandrohungen, wenn sie gerechtfertigt sind. Ob etwas gesetzlich geregelt ist, hat aber nichts damit zu tun, ob es moralisch gerechtfertigt ist. Die überwiegende Mehrheit der Gesetze, Vorschriften, Erlasse und Verordnungen – und all der andere autoritäre Müll – sind absolut unmoralisch, weil sie Akte der Aggression sind. Das ist der Unterschied zwischen dem, was ich will, und dem, was Recht und Ordnung bedeuten. Recht und Ordnung, »Law and Order« bedeutet, dass man der herrschenden Klasse gehorcht, weil sie einem ansonsten wehtut. Moral dagegen bedeutet, dass man das Selbstbestimmungsrecht aller anderen respektiert. Und dass Menschen das Recht haben, jemanden dazu zu zwingen, es zu respektieren, indem sie sich gegen jemanden verteidigen können, der sie angreift oder versucht, sie zu bestehlen. Diese Art von Ordnung – ja, dafür bin ich. »Law and Order«? Nein, das lehne ich ab. Sie können ja selbst entscheiden, ob sie ein Fan von Recht und Ordnung sind. Ich bin keiner. Ich bin ein großer Fan von freiwilliger, friedlicher Ordnung. Aber das ist niemals das Ergebnis von Regierung.
Der zweite Punkt, bei dem ich ein seltsamer, verrückter »Extremist« bin, betrifft die Frage, ob ich an Demokratie glaube. Nein, tue ich nicht. Gott bewahre! Das ist ein weiterer Punkt, der Menschen irritiert, wenn sie noch nie darüber nachgedacht haben. Viele Leute denken, ich wolle eine Monarchie oder so etwas, wenn ich sage, dass Demokratie scheiße ist. Weil ihnen beigebracht wurde, Demokratie mit diesem vagen Konzept zu verbinden, dass das Volk die Macht hat und wir uns alle brav zusammensetzen, um uns auf Dinge zu einigen. Wenn alle zusammen kommen und sich auf etwas einigen, nennt man das Konsens. Das ist keineswegs gleichbedeutend mit Demokratie. Zur Klarstellung: Demokratie bedeutet, dass zehn Leute herumhängen und sich fragen, was sie zu Mittag essen sollen. Sieben davon wollen Pizza essen. Drei nicht. Daraufhin sagen die sieben, das hier Demokratie herrscht und die anderen drei deshalb gezwungen sind, ihren Anteil an einer Pizza zu bezahlen, die sie gar nicht wollen. Das ist Demokratie. Konsens bedeutet, dass alle zehn zustimmen, etwas zu tun. Dass, wenn sieben einer Meinung sind, diese sieben etwas zusammen tun. Und drei machen etwas anderes. Konsens bedeutet, dass freie Individuen, die für sich selbst entscheiden, Teil einer Organisation zu werden, gemeinsam etwas tun. Egal, ob es sich um zehn oder 100.000 Menschen handelt. Das ist Konsens. Aber die Propaganda ist bemüht, Demokratie als Konsens zu vermarkten. Und das ist sie nicht.
Demokratie ist die gewaltsame Dominanz der Mehrheit über die Minderheit.
Ich hasse es irgendwie, das zu tun, aber ich muss jetzt ein Klischee verwenden. Denn das perfekte Bild für eine Demokratie in Aktion ist die Gruppenvergewaltigung. Es ist wirklich verdammt düster. Es ist die Mehrheit, die einer Minderheit ihren Willen aufzwingt. Und die Tatsache, dass auch die Minderheit wählen konnte, ist mir egal. Das hat doch nichts mit Moral zu tun. Dass man auch als Minderheit abstimmen konnte, macht in keinster Weise jemals etwas moralisch. Oder gerecht. Oder gerechtfertigt. In meinen Augen ist Demokratie zutiefst böse. Konsens ist fantastisch – aber Demokratie? Zum Teufel, nein. Die meisten Menschen sind sich ja nicht einmal im Klaren darüber, was sie unterstützen, wenn sie sagen, dass wir die Demokratie fördern müssen. Nein, das müssen wir nicht. Wir müssen die Freiheit fördern. Und Freiheit ist das absolute Gegenteil von Demokratie. Zudem herrscht ja nicht einmal echte Demokratie. Wo kämen wir denn da hin? Wir bekommen diese verzerrte, seltsame, verstümmelte Version von Demokratie, bei der man für etwas stimmt und jemand anderes entscheidet dann, was diese Stimmen bedeuten und wie viele es sind. Danach tun sie ohnehin, was sie wollen, und treten auf, als seien sie Volksvertreter. Es gibt also die gefälschte Version und die echte Version von Demokratie – und beide sind falsch. Sie können also selbst entscheiden, ob sie ein Fan von Demokratie sind oder nicht. Ich bin keiner.
Der nächste Punkt, bei dem ich ein komischer Kauz bin, betrifft die Frage, ob ich stolz auf dieses Land bin, ob ich es liebe, ob ich patriotisch bin. Nein, überhaupt nicht! Denn auch hier gilt es zu differenzieren, zwischen dem wirren Kram, den die Leute glauben, weil sie tatsächlich etwas Gutes wollen – unter einem Label, mit dem sie getäuscht werden – und dem, was dieses Label wirklich bedeutet. Und es steht nicht für das, was diese Leute wollen. Ich werde also beschreiben, was ich wirklich mag. Und das ist nicht Patriotismus. Ich möchte, dass mir alle patriotischen Menschen da draußen sagen, ob sie in dieser Hinsicht mir, oder lieber den Typen zustimmen, die die Flagge schwenken. Wofür steht denn diese Flagge? Viele Menschen werden sagen, dass die amerikanische Flagge für Freiheit steht. Witzig, oder? Warum ist dieses Symbol der Freiheit dann auf all den Uniformen und Maschinen der Kriegstreiber? Warum ist es auf jedem Büro der Steuerbehörde, auf jedem Büro der Drogenfahndung, jedem Büro des Amtes für Alkohol, Tabak, Schusswaffen und Sprengstoffe, auf jedem Büro des Justizministeriums? Denken sie nicht, dass die Chefs dieser Ämter, die das Gegenteil von Freiheit durchsetzen, das Symbol hassen würden, wenn es wirklich für Freiheit stünde? Aber alle hissen sie die Flagge und sagen, es gehe ihnen um Freiheit. Gleichzeitig sagen sie, dass die Flagge die Republik repräsentiert. Denn es ist nun mal die herrschende Klasse. Und eine Flagge repräsentiert das Territorium der herrschenden Klasse eines Landes. Ich weiß, dass das einige Leute verärgern wird – aber ein Land ist nichts anderes als die territoriale Gerichtsbarkeit einer nationalen herrschenden Klasse. Das ist alles, was es bedeutet. Uns dagegen wird beigebracht zu glauben, dass es dieses vage Ding namens Land gibt, das man lieben soll. Okay. Aber was zum Teufel ist das Land? Sind es die Menschen? Hier gibt es viele ziemlich coole Leute. Hier gibt es aber auch viele nicht so coole Leute. Es gibt auch coole Leute außerhalb dieser willkürlichen Grenze. Und nicht so coole Leute außerhalb dieser willkürlichen Grenze. Der Ort hier ist ziemlich cool. Aber es ist nicht weniger cool, wenn man nach Kanada, nach Mexiko, oder an viele andere Orte geht. Warum sollte mich diese bestimmte Linie, dieses bestimmte Stück Boden interessieren? Welche Bedeutung hat es? Steht es für Freiheit? Nein. Es ist nicht mal mehr die freieste territoriale Gerichtsbarkeit auf dem Planeten. Weder sozial noch wirtschaftlich – in keinerlei Hinsicht.
Wir sind darauf trainiert, etwas zu lieben, das wir nicht identifizieren können. Genau wie bei der Demokratie. Wir sind darauf trainiert, an etwas zu glauben, das wir nicht definieren können. Siehe »Law and Order«. Wir sind dressiert, fest an etwas zu glauben. Und wir wissen nicht einmal, was zum Teufel es ist. Das ist Indoktrination. Wenn man an etwas glaubt, das faktisch wahr ist – ich glaube beispielsweise an das Recht auf Eigentum – dann kann man auch erklären, was es bedeutet, kann beschreiben, warum es eine gute Sache ist. Das ist eine wesentliche Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben. Es ist nicht nur irgendein vages Etikett, das ich zu verehren gelernt habe. Demokratie, Recht und Ordnung und Patriotismus sind vager Brei, der die guten Absichten der Menschen missbraucht und sie dazu verleitet, eine herrschende Klasse zu unterstützen, die für sich das Recht beansprucht, andere auszurauben und zu kontrollieren. Denn darauf läuft es hinaus. Warum also schwenkt man eine Flagge, die für die Berechtigung steht, anderen Geld zu stehlen und andere herumzukommandieren? Soll man wirklich glauben, das hat etwas mit Freiheit zu tun? Ich verurteile Menschen nicht für diese Assoziation. Denn sie sind umgeben von einer Gesellschaft, die ihnen diese Assoziation aufzwingt. Aber wenn ich hier oben Dinge erzähle, die mich in den Augen des Mainstreams zu einen seltsamen Extremisten machen, so möchte ich doch wenigstens, dass jeder einmal scharf darüber nachdenkt, was er wirklich verehrt.
Wenn jemand sagt, er liebt Amerika, steht das dann für die Idee der Freiheit? Cool, ich liebe die Idee der Freiheit. Ich verstehe nur nicht, warum man diese Idee mit dem Symbol einer gewalttätigen herrschenden Klasse verknüpft. Die sind ja nicht nur hier gewalttätig. Die sind überall auf der Welt gewalttätig. Das ist keine Freiheit.
Sind es die Menschen? Alle von ihnen? Nein? Schließt das jeden außerhalb aus? Nein? Warum dann diese Unterscheidung treffen? Wie wäre es, wenn man stattdessen sagt, man liebt anständige Menschen, Freiheit und Gerechtigkeit? Warum sollte man die politischen Konzepte und Insignien einer herrschenden Klasse verwenden, um zu beschreiben, was einem persönlich wichtig ist? Nur deshalb, weil man darauf dressiert wurde.
Unglaublich viele Menschen schwören gedankenlos ihre Treue auf die Flagge. Das ist ein Thema, bei dem sich viele unwohl fühlen, weil sie patriotisch indoktriniert sind und Loyalität vor allem gegenüber einer ganz bestimmten herrschenden Klasse empfinden. Derjenigen ihres Landes. Sie empfinden das als richtig. Sind emotional investiert. Okay. Aber was ist mit den Menschen, die in Nazi-Deutschland aufgewachsen sind? Oder denen, die jetzt in Nordkorea leben? Sollten die auch tiefe Liebe für die gewalttätigen, herrschsüchtigen Psychopathen empfinden, die sie herumkommandieren und töten? Sollten die auch patriotisch sein? Ist es reines Glück, dass wir an diesem einen Ort – ich meine Land – sind, an dem man seine herrschende Klasse lieben kann? Solche Gedanken lösen bei vielen Menschen Unbehagen aus, weil die Dinge, die ihnen wirklich wichtig sind, die in ihren Augen rechtschaffen und gut sind, unter falschen Labels laufen – Demokratie, Recht und Ordnung, Patriotismus, Liebe zum Land, und so weiter – weil man sie dazu gebracht hat, zu glauben, dass man nur ein guter Mensch ist, wenn man Demokratie, Recht und Ordnung, sein Land, den Patriotismus und das ganze andere Theater liebt.
Ich bin hier, um all diesen Leuten unangenehme Dinge zu sagen. Denn willst du ein guter Mensch sein, musst du all das ablehnen. Nichts davon hat mit friedlicher Koexistenz zu tun. Keines dieser Dinge hat mit Freiheit zu tun. Was du tief in dir drin wirklich meinst, wenn du sagst, dass du dein Land liebst, ist, dass du die Freiheit liebst. Das ist gut. Bewahre dir die Liebe zur Freiheit. Vergiss den ganzen anderen Mist, den das System ein Leben lang um dich herum angehäuft hat. Ja, das ist unangenehm. Auch ich wuchs konservativ, konstitutionell, staatsfixiert auf und war total patriotisch. Ich unterstützte die Truppen, bevor ich eine Ahnung hatte, was sie taten. Ich unterstützte die Polizei, bevor ich eine Ahnung hatte, was sie wirklich tut. Ich glaubte an die Hollywood-Version von dem, was sie tun. Ich dachte, es sind rechtschaffene, gute Typen, die Leben retten. Inzwischen weiß ich, dass sie das nicht sind. Aber es ist sehr schwierig, das, woran man wirklich glaubt, was einem wirklich wichtig ist, von den Etiketten zu trennen, die opportunistische Psychopathen darauf kleben. Das sage ich ganz ohne Sarkasmus – denn es sind Psychopathen. Die wissen, dass sie keinen Jubel zu erwarten haben, wenn sie erzählen, dass sie alle kontrollieren wollen, dass sie stehlen, enteignen, Menschen hier zu Hause und auf der anderen Seite der Welt töten und Ressourcen in Übersee rauben wollen. Würden sie das kommunizieren, sähe sie jeder als Psychopathen. Haut ab! Das wäre die Reaktion auf derlei Pläne. Also müssen sie es auf eine Art und Weise verkaufen, die wohlmeinende Menschen dem Bösen zujubeln lässt. Genau das ist die Aufgabe von Politik. So hat sie auch bei mir gewirkt. Und ich hasse es, das zuzugeben. Aber ich zwinge mich bei jedem Vortrag dazu, weil ich nicht so tun will, als wüsste ich alles besser als ihr. Als die Gräuel von Waco ihren Lauf nahmen, war ich zum Beispiel noch nicht so weit wie heute. Ich war ahnungslos und ignorant genug, um zu denken, dass die Leute innerhalb des Geländes die bösen Typen waren. Nun gut, sie hatten seltsame Ansichten, denen ich nicht zustimme. Einige von ihnen taten Dinge, die ich ablehne. Aber sie waren nicht annähernd so schlimm wie das, was die Gesetzeshüter ihnen antaten. Die Polizisten terrorisierten und folterten sie. Und begingen dann Massenmord. Ich jubelte für Massenmörder. Damals. Ich wusste es nicht besser. Das ist das Problem mit politischer Indoktrination und dem Glauben an Regierung. Das Problem besteht nicht darin, dass böse Menschen böse Dinge tun. Natürlich werden sie das – und wir müssen auf der Hut sein – vor allem aber müssen die anständigen Menschen bereit und fähig sein, sich gegen böse Menschen zu verteidigen. Aber durch Lügen bringen böse Menschen die guten Menschen dazu, ihnen zuzujubeln.
Man findet mit Leichtigkeit Bilder von Mao, oder Stalin, oder Hitler – umringt von jubelnden, begeisterten, freudigen Menschenmassen, die sie an die Macht jubeln. Warum? Weil all diese Tyrannen versprachen, gegen die Übel der Welt zu kämpfen, wenn man ihnen Macht gibt. Tatsächlich kämpften diese Typen auch fast immer gegen die ein oder andere böse Sache. Aber dass man solchen Typen absolute Macht verleiht, ging bisher nie so richtig gut aus. Oder? Tyrannen tricksen anständige Leute aus, damit sie für Dinge jubeln, die sie nicht verstehen. Ich bin, wie mancher hier im Saal, in der unangenehmen Position, Menschen sagen zu müssen, dass viele Dinge, mit denen sie emotional verbunden sind, das Gegenteil von dem bedeuten, was sie damit assoziieren. Weil ihnen beigebracht wurde, diese Konzepte so lange durcheinanderzubringen, bis sie den Unterschied zwischen Freiheit und dem Anhimmeln einer herrschenden Klasse, zwischen Gerechtigkeit und dem Bejubeln von Berufsschlägern einer autoritären Monstrosität nicht mehr erkennen. So ist es für mich oft schwer, Gespräche mit Menschen zu führen, die noch das Mindset haben, das ich früher hatte – schwenke die Fahne, unterstütze die Truppen, et cetera.
Diese Menschen jubeln nicht, weil sie das Böse verehren. Sie jubeln, weil man ihnen beigebracht hat, dass so Freiheit und Gerechtigkeit aussehen. Aber so sehen Freiheit und Gerechtigkeit nun mal nicht aus.
Gut, nun zum wahrscheinlich wichtigsten Teil des Vortrages: Meiner Antwort auf die Frage, ob ich einer dieser extremistischen Typen bin, die die Regierung ablehnen. Das ist immer recht amüsant für mich – weil ich Regierung generell und von ganzem Herzen ablehne. Zu 100 Prozent. Von oben bis unten, von innen bis außen. Ich bin voll und ganz gegen Regierung. Und ich finde es zum Totlachen, wenn die herrschende Klasse auf tausende von Menschen zeigt, die gar nicht regierungsfeindlich sind, und ihnen vorwirft, sie wären wie ich. Nein – ich bin regierungsfeindlich. Nicht die. Die wollen nur eine etwas andere Art totalitärer Herrschaft. Auch die Trump-Anhänger sind nicht gegen die Regierung. Die Linke, die Rechte, und alles dazwischen. Sie alle wählen eine Form herrschender Klasse. Das ist nicht regierungsfeindlich, sondern ein Streit um die Farbe des Stiefels, der auf deiner Kehle steht.
Gegen Regierung zu sein bedeutet, ich möchte weder einen Stiefel auf meiner Kehle noch auf der Kehle eines anderen. Und ich bin stolz darauf, regierungsfeindlich zu sein. Denn Regierung ist von Natur aus immer gegen den Menschen gerichtet. Es kann gar nicht anders sein. Zum Anarchisten wurde ich jedoch eher zufällig. Ich war bereits libertär eingestellt. Aber meine erste Frau Tessa und ich diskutierten gerne, weil wir das Philosophieren mochten und ich schon damals gerne solche Themen debattierte. Auch wenn ich in vielen Dingen noch falsch lag. Ich hatte allerdings oft das Gefühl, dass ich in den Debatten nicht wirklich punkten konnte. Dass die Dinge, die ich erklärte, nicht ganz zusammenpassten. Ich arbeitete daran, meine Gedanken zu ordnen und meine Vorstellung davon herauszukristallisieren, was eine ideale, legitime, perfekte Regierung wäre. Auf der einen Seite konnte ich Leute nicht zwingen, Dinge zu finanzieren, die sie nicht wollen. Das ist Erpressung. Ich kann Menschen auch nicht verbieten, sich selbst zu verteidigen – und ihnen stattdessen versprechen, dass ich sie verteidige, nachdem ich sie zuerst beraubt habe. Das klingt eher nach Mafia. So grenzte ich meine Vorstellung einer perfekten Regierung immer weiter ein – und kam an den Punkt, an dem ich bemerkte: Das ist gar keine Regierung mehr. Das sind nur Menschen. Ohne Sonderrechte. Sie haben keine Autorität. Sie sind keine Gesetzgeber. Sie verfassen keine Edikte – sie reden einfach miteinander. Sie organisieren sich und kooperieren. Ohne, dass jemand besondere Befugnisse hätte. Für alle, die immer noch daran glauben, eine Regierung könne das Gute verkörpern:
Das Konzept Regierung ist die Antithese zu Menschlichkeit. Es zerstört Empathie selbst in wohlmeinenden Menschen.
Und das hat Gründe. Denn was ist die Rolle einer Regierung, einer Autorität? Und wofür braucht man keine solche Autorität? Man braucht keine Autorität zum Selbstschutz. Das Recht dazu hat man bereits. Man braucht keine Autorität, oder Sonderrechte, oder irgendein Abzeichen, um freiwillig etwas Produktives zu organisieren. Sei es eine Kleinigkeit, oder eine gigantische Operation. Man braucht keine Autorität, oder Abzeichen, oder Sondergenehmigungen, um den eigenen Grund und Boden zu verteidigen. Ob das nun ein kleines Grundstück, oder ein riesiges Gebiet ist. Das Einzige, wofür man Autorität braucht, ist, um sich das Recht herauszunehmen, Böses zu tun.
Per Definition: Wenn etwas für mich, für dich und für jeden von uns moralisch falsch, oder verboten ist, aber jemandem mit einem Abzeichen ist es erlaubt, dann stehen all diese Abzeichen per se für die Erlaubnis, Böses zu tun. Das ist alles, was Autorität jemals zu einer Gesellschaft beitragen kann. Aufgrund der Natur dessen, was sie ist. Wenn jemand aufgrund irgendwelcher Rituale, eines Kostüms oder Abzeichens das Recht hat, etwas zu tun, aber wir haben es nicht – ist es dann plötzlich in Ordnung, von so jemandem beraubt oder herumkommandiert zu werden? Nein.
Regieren steht für die Erlaubnis, Unrecht zu begehen. Das ist alles, was Regierung je sein kann. Das ist alles, was Autorität jemals sein kann.
An den Mann bringt man das Konzept aber natürlich auf andere Art und Weise. Da wird argumentiert, man brauche Autorität, um die Bevölkerung zu schützen. Okay – aber wenn diese Regierung in meinem Namen handelt, kann sie auch nur die Rechte haben, die ich auch besitze. Und ich habe nicht das Recht, meinen Nachbarn auszurauben, um etwas zu finanzieren, das ich will, er aber nicht. Die Regierung handelt nicht so, als würde sie in meinem Namen handeln, wenn sie Menschen beraubt. Und sie soll aufhören, das zu behaupten, wenn sie darüber hinaus auch noch mich beraubt, um Dinge zu finanzieren, die andere Leute wollen. Das ist nämlich die schizophrene Rhetorik, mit der das System arbeitet.
Gut. Falls ich bislang noch nicht alle vollends verärgert habe – glaube ich denn wenigstens an die Verfassung? Nein. Absolut nicht. Demokratisch gewählte, konstitutionelle Republiken mit einer Verfassung waren die mörderischsten Regime in der Geschichte der Welt. Ohne Ausnahme. Die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken hatte eine Verfassung. Sie erlaubte den Menschen, wählen zu gehen. Es gab Grundrechte. Wie hat das für die Sowjetunion funktioniert? Die Demokratische Volksrepublik Nordkorea – die Demokratische Volksrepublik! – ist eine konstitutionelle Republik, die den Menschen gestattet, wählen zu gehen. Es gibt Grundrechte. Wie hat das funktioniert? Die Weimarer Republik, aus der Nazi-Deutschland hervorging, war eine konstitutionelle Republik. Den Bürgern war erlaubt, wählen zu gehen. Es gab Grundrechte. Die Volksrepublik China, das mörderischste Regime in der Geschichte des Planeten, war eine konstitutionelle Republik, die den Menschen erlaubte, wählen zu gehen, die Grundrechte gewährte.
Was also ist falsch daran, Menschen Grundrechte zu gewähren und sie wählen gehen zu lassen? Ganz einfach. Wenn die herrschende Klasse so agiert, als stimmtest du ihren Umtrieben zu, weil sie dich repräsentieren und du sie durch Teilnahme an Wahlen legitimierst, während sie ihren Wahnsinn ausleben, kommen sie mit viel mehr davon als ein Monarch, der einfach sagt, er tut was er will. Der mit harter Hand regiert. Wenn wir dazu verleitet werden, zu glauben, dass die Repräsentanten das alles für uns veranstalten, dann machen wir mit. Wir normale Menschen haben den Irak nicht überfallen. Ich zumindest nicht. Von euch weiß ich's nicht. Aber ich war nicht dort. Bringen sie uns an den Punkt, an dem wir tatsächlich auf diesen Müll hereinfallen, können sie weitaus missbräuchlicher und tyrannischer sein als jemand, der nicht einmal vorgibt, uns zu vertreten. Als jemand, der einfach dazu steht, ein Tyrann zu sein. Mit all seinen Schlägertrupps.
Die US-Verfassung schuf das mächtigste autoritäre Imperium der Welt. Und noch einmal, falls ich noch nicht genug Leute beleidigt habe, und für jene, die meinen, man müsse nur zu dem zurückkehren, was die Verfassung eigentlich bedeutet. Die meinen, wir hätten versagt, im Kern sei es aber eine gute Idee. Für jene, die bezüglich Verfassungsrepubliken, ob hier, oder in der Sowjetunion, oder in Nordkorea, in Nazideutschland oder China anführen, dass es bisher einfach nur nicht richtig umgesetzt wurde. Denen sage ich: Selbst wenn es eine gute Idee wäre, wird sie nie funktionieren, wenn sie auf die Realität trifft. Es ist vielleicht eine gute Theorie, aber jedes Mal, wenn versucht wird, sie auf eine Gesellschaft anzuwenden, entsteht ein autoritäres Monstrum. Verfassungsrechtler sind leider genau wie Kommunisten. Sie glauben an eine beschissene Idee und wollen wirklich, dass sie funktioniert. Sie tut es aber nie. Und führt stets zu autoritärer Gewalt.
Ganz nebenbei – ich war auch mal von dem Schlag. Wenn mein altes Ich im Publikum sitzen würde, wäre es jetzt wahrscheinlich beleidigt, mürrisch und still. Es würde denken: Blödsinn, wir müssen es nur richtig machen. Aber nochmal. Diese Dinge funktionieren nur, wenn wir sie in nette Worte packen. Repräsentation, keine Unterdrückung, der Wille des Volkes, und so weiter. Dafür geben die Leute alles. Wenn sie es so aussehen lassen können, als hättest du mitbestimmt, als wärst du gefragt worden, ob du den rechten oder den linken Stiefel im Gesicht haben möchtest, dann können sie das als Zustimmung werten. Als Partizipation. Auch wenn deine Partei verliert.
Gar keinen Stiefel im Gesicht haben zu wollen, das ist natürlich keine Option. Das steht nicht auf dem Wahlzettel. Also wählt man einen der Stiefel – und wird vertreten. Selbst schuld.
Wer kennt das folgende Zitat. Ich werde versuchen, es möglichst fehlerfrei wiederzugeben. »Staat heißt das kälteste aller kalten Ungeheuer. Kalt lügt es auch. Und diese Lüge kriecht aus seinem Munde: Ich, der Staat, bin das Volk.« Nietzsche! Treffer. Das war schon immer wahr. Dass der Staat vorgibt, uns zu vertreten. Dass er sagt, Demokratie sei, wonach wir streben sollten. Dass Recht und Ordnung sind, wonach wir streben sollten. Dass Patriotismus und die Liebe zum Vaterland uns leiten sollten. Alles Blödsinn. Wir sollten die Prinzipien der Freiheit, des Privateigentums und der Gerechtigkeit schätzen. Das ist niemals gleichbedeutend mit der Verehrung einer herrschenden Klasse. Das Einzige, was der Glaube an Autorität jemals zur Gesellschaft beiträgt, ist unmoralische Gewalt. Das ist alles was dieser Glaube bewirken kann.
Mein Buch »Der gefährlichste Aberglaube« dreht sich um genau dieses Thema. Um den gefährlichen Glauben an Autorität und wie er die Menschlichkeit zerstört. Er befähigt nicht nur schlechte Menschen dazu, ihre Psychosen dank Gesetzgebern und Machtpositionen auszuleben, weil sie sich nicht mehr verantwortlich fühlen müssen. Schließlich machen sie selbst die Gesetze ja nicht – sie setzen diese nur gedankenlos und gewaltsam gegen einen Haufen Menschen durch, die gar nichts falsch gemacht haben. Diese Haltung kennen wir. Befehle wurden befolgt. Fehler wurden gemacht. Ich war der Ansicht, wir hätten das seit Nürnberg hinter uns gelassen. Trotzdem sagen es immer noch alle. Denn sie selbst machen ja nichts falsch. Dieses ominöse, vage Gesetz schreibt es so vor. Sie machen nur ihren Job. Übernehmen keinerlei persönliche Verantwortung dafür, dass sie dich niederschlagen, in einen Käfig stecken oder erschießen. So zerstört das Gesetz auch die Menschlichkeit der Gesetzeshüter.
Und was macht das mit den Wählern? Links, rechts, irgendwas dazwischen? Finden die es legitim, Tyrannen zu wählen, die ihre Nachbarn ausrauben? Ja. Denn sie wählen Tyrannen, damit die ihre Nachbarn ausrauben, um die Dinge zu finanzieren, die sie wichtig finden. So kann die Linke sagen, es sei in Ordnung all den Nachbarn etwas wegzunehmen, um den Armen zu helfen. Ich bin absolut dafür den Armen zu helfen – es ist der Raubüberfall, mit dem ich ein Problem habe. Die Rechten sagen unterdes, es sei in Ordnung, den Nachbarn etwas wegzunehmen, um die Unschuldigen im In- und Ausland vor den schaurigen Menschen im In- und Ausland zu verteidigen. Viele dieser Verteidiger tragen übrigens wieder Abzeichen. Ich bin voll und ganz für die Verteidigung von unschuldigen Menschen vor schaurigen Menschen hier und schaurigen Menschen im Ausland – ein Problem habe ich damit, dass jeder dazu gezwungen wird, für diese Regierungsversion von Schutz zu bezahlen. Die ultimative Ironie dabei ist nämlich, dass sie dich erst berauben, um mit dem geraubten Geld dann deinen Schutz vor Räubern zu finanzieren. Ist das nicht irgendwie gegen jede Logik?
Jeder der wählt – das mag jetzt bei dem ein oder anderen Schuldkomplexe auslösen, aber ich bin auch fast fertig hier – jeder der die Demokraten oder Republikaner wählt, unterstützt dieses System. Ich habe mehr als ein Jahr im Bundesgefängnis verbracht. Wegen eines Vergehens »vorsätzlicher Nichteinreichung«. Ich habe denen ein paar Dokumente nicht geschickt. Das ist eine lange Geschichte. Wer es genau wissen will, kann sich melden. Dann schicke ich ihm eine PDF des Buches. Denn ich schrieb darüber, als ich im Gefängnis saß. Ab und an spreche ich über diese Erfahrung natürlich auch mit Leuten, die die Demokraten oder die Republikaner gewählt haben. Die meisten drücken mir irgendwann ihr Mitleid aus. Es täte ihnen furchtbar leid, was mir passiert ist. Ich frage dann immer, warum es ihnen leid tut. Immerhin hätten sie die Verantwortlichen ja ins Amt gewählt. Zumindest einige davon. War ihnen als Wähler nicht klar, dass Menschen besteuert werden? War ihnen nicht bewusst, dass Menschen, die der herrschenden Klasse nicht huldigen, zeitweilen schlimme Dinge widerfahren? Genau das ist es doch, wofür sie als Wähler gestimmt haben. Der Wähler legitimiert die Maschinerie, die mir und anderen Menschen so etwas antut. Ich verbitte mir daraufhin dann immer dezent den mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anstehenden Hinweis des Gegenübers, dass es ja noch viel schlimmer gekommen wäre, hätte das andere Lager die Wahl gewonnen. Damit liegt die Verantwortung nämlich wieder nur beim System, nicht beim Wähler selbst, der gerade vor mir steht und beginnt, sich sichtlich unwohl zu fühlen. Normalerweise halte ich mich mit Anschuldigungen zurück, weil es etwas hart ist. Im Grunde sage ich den Leuten, dass ich vermute, sie wollen gute Menschen sein. Dass sie es gut meinen. Dass ihr Glaube an die Regierung aber zur Ermächtigung jener Leute führt, die mich zuerst in die Armut trieben und dann für ein Jahr einsperrten. Nicht, weil ich jemanden verletzt habe, sondern wegen ein paar nicht eingesandter Dokumente. Wegen einem Stück Papier. Diese Erpresserbande.
Wenn also jemand bei dem Gedanken, gegen die Regierung zu sein, zusammenzuckt, bitte. Der Grund, warum ich gegen die Regierung bin, ist, dass ich so etwas niemals einem anderen Menschen antun würde. Ich werde die Regierung nie bitten, einen anderen Menschen zu berauben, einen anderen Menschen gewaltsam zu kontrollieren. Weil ich kein Recht dazu habe. Ich werde nie von der Ausrede Gebrauch machen, dass es nicht ich, sondern der linke oder der rechte Stiefel an der Kehle war. Ich habe kein Recht, anderen Menschen derartiges anzutun – und sie haben kein Recht, mir so etwas anzutun.
Ich war mal auf einem Parkplatz in Phoenix, als jemand mit einem Klemmbrett in der Hand zu mir kam und mich fragte, ob ich wählen gehe. Ich antwortete: »Nein, zur Hölle – auf keinen Fall. Ich bin doch nicht dumm genug, einen Herrscher über mich zu ernennen. Und ich habe kein Recht, einen Herrscher über dich zu ernennen«.
Der Typ mit dem Klemmbrett brachte nur noch ein leises »Okay« heraus und drehte ab. Ich glaube, das war ein bisschen über seinem Niveau. Ein bisschen zu viel, zu schnell. Aber das ist die Realität. Ich bin gegen jede Regierung, weil ich mich nicht zum Jubeln für Gewalt, die gegen Unschuldige angewendet wird, verleiten lassen werde. Man kann nicht für eine Regierung sein, in welcher Gestalt oder Form auch immer, ohne gewalttätige Aggression gegen Mitmenschen zu billigen.
Das also ist die Art komischer Kauz, die ich bin. Zum Glück bin ich nicht der Einzige. Vor 27 Jahren, als ich Voluntarist wurde und im Grunde niemanden kannte, der ähnlich dachte, fühlte ich mich wie der Einzige. Jetzt kenne ich Hunderttausende solch seltsamer Typen, die anstelle von Demokratie an Konsens glauben. Anstelle von Recht und Ordnung glauben sie an wirkliche Gerechtigkeit. Anstelle von Patriotismus glauben sie an wirkliche Freiheit. Ich hoffe, und bin überzeugt davon, dass es künftig noch viel mehr solch seltsame Typen geben wird. Menschen, die sich als Voluntaristen verstehen, die echte Moralvorstellungen vertreten. Auf Basis fundamentaler Werte, die eigentlich in jedem Menschen vorhanden, oft aber unter autoritärer Indoktrination begraben sind. Bis wir irgendwann nicht mehr der seltsame Rand der Gesellschaft sind. Außer für die paar Psychopathen, die sich als Anführer sehen, als Herrschaftskaste, und denen der Rest von uns dann mitteilen wird, dass sie es nicht sind.
Dann haben sie keine Macht mehr.
Ach – und schaut euch die »Jones Plantage« an, wenn ihr den Film noch nicht gesehen habt.
Wir alle leben auf der Jones Plantage.
Vielen Dank.
Bild: Netzfund