Tom-Oliver Regenauer | 24.11.2024
Sie regieren die Welt. Das ist keine Übertreibung. Denn sie haben deutlich mehr Einfluss darauf, was wir sehen, lesen, hören, fühlen, kaufen, tun und denken als jeder Politdarsteller – gemeint sind die »glorreichen Sieben«. Also die sieben größten Unternehmen der Tech-Branche: Apple, Microsoft, Amazon, Alphabet (Google), Tesla, Meta und Nvidia. Mit ihren Plattformen, Produkten und Smartphone-Apps dominieren sie Medienlandschaft, Konsum, persönliche Kommunikation, digital-soziale Räume, nachrichtendienstliche Aktivitäten, künstliche Intelligenz (KI) und in zunehmendem Maße auch den Finanzmarkt.
Nachdem Microsoft und Apple mit der Entwicklung von Personal Computern und einer grafischen Benutzeroberfläche dafür sorgten, dass sich Mitte der 80er auch neugierige Normalos einen PC ins Haus holten – als Ersatz für die plötzlich altbacken wirkende Schreibmaschine – und Tim Berners-Lee, der 1989 am CERN die Grundlagen des World Wide Web entwickelte, am 6. August 1991 sein Konzept eines Hypertext-Dienstes online gestellt hatte, waren es Ende der 90er eine Handvoll Unternehmen, die sich im sonnigen Süden der USA anschicken sollten, das Mediazän zu dominieren. Gegründet von einer Handvoll Tech-Desperados, die abseits gültiger Normen und Gesetzmäßigkeiten operierte, weil es für das, was sie erfanden, noch keine gab, formierte sich ein anomistisches Ökosystem, das heute die Welt dominiert: Die Plattform-Plutokratie. Der digital-zensorische Komplex. Die größte Social-Engineering-Maschinerie aller Zeiten.
So steht die Einordnung als »größte Unternehmen« nicht nur für die astronomischen Börsenwerte dieser Konzerne, sondern vor allem für ihren massiven Einfluss auf die Entwicklung des Individuums und die postmoderne Gesellschaft an sich. Dass diese Einflussnahme abseits von Marktwert und Performance-Indikatoren nicht allein auf organischem Wachstum und Marktdurchdringung beruht, liegt auf der Hand – denn die Tech-Giganten erfuhren signifikante Starthilfe von Seiten des Staates. Genauer gesagt dem Geheimdienstkomplex.
Facebook erhielt Millionen von Deep-State-Technokrat Peter Thiel und Accel, dessen Management enge Verbindungen zum CIA-Finanzvehikel In-Q-Tel pflegte, und galt für das Forbes-Magazine schon 2018 als »das ultimative Überwachungsinstrument für Regierungen«. Sergey Brin und Larry Page erhielten 1995 erhebliche Summen von der DARPA, um Google zu gründen. Aus einem »schwarzen Budget«, mit dem NSA und CIA Werkzeuge zur Massenüberwachung entwickeln wollten. Wenig verwunderlich also, dass auch Google Earth aus einem CIA-Projekt namens Keyhole EarthViewer hervorging, dessen Unterstützung In-Q-Tel gemäß Pressemitteilung vom 25. Juni 2003 als »strategisches Investment« bezeichnete. Julian Assange lag also ganz richtig, als er 2014 warnte, »Google sei nicht das, für was es sich ausgibt«.
Selbst bei Reuters konnte man im Rahmen eines ausführlichen Artikels vom 3. Juli 2013 nachlesen, wie eng die Verbindungen der Big-Tech-Konzerne zu Geheimdiensten ist. Von der Start-up-Finanzierung über die Rekrutierung von Ex-Agenten bis zum Austausch von Computerchips, die Spionage erleichtern, ist alles dabei. »Die Zusammenarbeit zwischen Tech-Industrie und Geheimdiensten ist enger als die meisten Menschen denken«, so Reuters.
So erstaunt es kaum, dass Amazon, Apple, Microsoft, Google, Meta und Elon Musks Firmenkonglomerat mittlerweile auch in den Krisen- und Kriegsgebieten der Welt aktiv sind, um dort in Zusammenarbeit mit Peter Thiels Palantir, Pentagon und Geheimdiensten jene Drecksarbeit zu übernehmen, die Regierungen nicht offiziell übernehmen wollen, oder dürfen. Korporatismus in voller Blüte eben. Die vermeintlich privatwirtschaftlich geführten Tech-Konzerne dominieren nicht mehr nur den zivilen, sondern zusehends auch den militärischen »Markt« – das Geschäft des industrialisierten Tötens.
Dass der militärisch-industrielle mit dem digital-zensorischen Komplex fusionierte, ist eine logische Folge des Umstands, dass beide dem gleichen »Gott« dienen: Mammon. Sprich, dem Zentral- und Geschäftsbankenkartell. In diesem Lichte betrachtet gebietet das Gesetz der Logik, dass die Schaffung dieser unheiligen Allianz nicht allein betriebswirtschaftlich motiviert war. Denn schon im 17., 18., und 19. Jahrhundert nutzten die Finanzkartelle Medien, Staat und Wirtschaft, um den Lauf der Dinge zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Siehe mein Text »Monopole, Macht und Mord« Teil 1 und 2.
Damals zeitigte diese überstaatliche Einflussnahme vor allem militärische Konflikte, bei denen Territorialansprüche, Ressourcen und Monopolisierung im Fokus standen. Weil in diesen Bereichen aber bis auf die planetaren Gemeingüter, die sich die Herrschaftskaste nun im Rahmen der Green Economy unter den Nagel zu reißen gedenkt, nicht mehr viel zu holen ist, geht es dieser Tage vor allem darum, die Kontrolle nicht zu verlieren. Dazu müssen die 0,1 bis 1,0 Prozent an der Spitze des wertewestlichen Kastensystems sicherstellen, dass die unterworfene Masse der transgenerational operierenden Kriminalität ihrer Zirkel nicht auf die Schliche kommt.
Eine Bedrohung für die von immer mehr Rissen gezeichneten Fundamente des Elfenbeinturms markiert vor allem das Internet. Denn trotz vielschichtiger Zensurmethoden im Web 2.0, legislativer Hütchenspielertricks und der Segregation Andersdenkender, bahnt sich das kleine, aber persistente Licht der Wahrheit auch in dunkelsten Zeiten seinen Weg durch Paywalls, Geofences, Blockwart-Barrikaden und Plattform-Patrouillen. VPN, Blockchain, Graphene OS, De-Fi (Decentralized Finance) und Verschlüsselung sei Dank. Das Web 3.0 lässt sich nicht zensieren.
Um derart autonomisierenden Entwicklungen entgegenzuwirken, konzentrieren sich die Kolonialisierungsprojekte der Herrschaftskaste nun nicht mehr auf die bewaffnete Unterwerfung ferner Länder – sondern auf das Erringen der Lufthoheit über einem geradezu grenzenlosen Schlachtfeld: dem Gehirn. Allerdings nicht in Form simpler Propaganda. Denn im Zeitalter des fortgeschrittenen Informationskrieges ist Nudging die sozialarchitektonische Königsdisziplin, um Menschen dazu zu bringen, etwas zu unterstützen, das ihnen nichts bringt, oder sogar schadet. Und wie könnte Nudging in der Breite besser gelingen als durch willfährige Hilfestellung »der glorreichen Sieben«. Genau dazu wurden sie geschaffen.
Technologische Revolutionen werden Dekaden bevor sie eintreten antizipiert, durchdacht, angekündigt und visualisiert. Nicht zuletzt von Hollywood, der laut Edward Bernays »größten Propagandamaschine der Welt«. Jene Kräfte, die die Gesellschaft kontrollieren wollen, machen sich das zu nutze. Sie erkennen, welche Paradigmenwechsel technologische Revolutionen einläuten werden und versuchen daher frühzeitig, deren Entwicklung zu steuern. Aus diesem Grund lohnt sich ein Blick auf die Entstehungsgeschichte des Nudging – beziehungsweise der zugrundeliegenden wissenschaftlichen Disziplin: Verhaltensforschung.
Klassische Propaganda beruht auf den Standardwerken von Walter Lippmann (1922) und Edward Bernays (1928). Moderne Verhaltensforschung – oder Sozialarchitektonik – in weiten Teilen auf den Arbeiten von Anthony Giddens. Der britische Soziologe veröffentlichte 1990 das Buch »The Consequences of Modernity«, in dem er die Grundlagen für den »Dritten Weg« skizzierte – ein Konzept der Politikproduktion, das abseits politischer Spektren dazu dient, die Massen zu gesellschaftlichem Konsens zu zwingen. Giddens’ Konzept beruht auf den Infiltrationsansätzen der Fabian Society, die damit das Fundament der Partizipation simulierenden Sozialdemokratien des heutigen Europas schuf. Hintergründe zu Fabian Society und dem Roll-out des Dritten Weges finden sich in meinem Text »Dominanzdialektik« vom 30. September 2023.
Nach 1990 publizierte Giddens weitere Bücher, die sich mit dem Themenkomplex befassten. Darunter Titel wie »Moderne und Identität« (1991), »Die Transformation der Intimität« (1992), »Jenseits von rechts und links« (1994) und »Der Dritte Weg« (1998). In all diesen Werken beschäftigt sich der Sozialwissenschaftler mit der übergeordneten Frage, wie der Mensch sich in die Welt der Postmoderne einzufügen vermag – oder besser – einfügen muss, um mit Globalisierung, Klimawandel und sozialen Verwerfungen zurecht zu kommen. Anthony Giddens war von 1997 bis 2003 Direktor der einflussreichen, von der Fabian Society gegründeten London School of Economics. Er ist der meistzitierte Autor im Bereich soziologischer Studien und Mitglied des 2007 ins Leben gerufenen European Council on Foreign Relations.
Relevant ist Giddens Arbeit zum »Dritten Weg« vor allem deshalb, weil dieser manipulative Ansatz der Politikproduktion durch Tony Blair, Bill Clinton und Gerhard Schröder Einzug in die Parlamente des Wertewestens fand. Heute orientiert sich praktisch jede Regierung an Giddens Theorien – und setzt demzufolge um, was die Fabian Society bereits Ende des 19. Jahrhunderts vorschlug, um Kollektivismus unter dem Deckmantel von Mitbestimmung zu generieren. Das erklärt, warum weder Klaus Schwabs »Stakeholder Kapitalismus« noch die »Vierte Industrielle Revolution« etwas mit Kapitalismus oder Demokratie zu tun haben.
Damit solche Konzepte in der Gesellschaft Fuß fassen, benötigt es vor allem eine auf Linie gebürstete Führungsebene. Diese wird mit Stipendien und Förderprogrammen eingenordet, bevor man sie auf die Bevölkerung loslässt. Viele dieser Kaderschmieden sind mittlerweile hinlänglich bekannt. Da wäre zum Beispiel das zu fragwürdigem Ruhm gelangte Young Global Leaders Programm des Weltwirtschaftsforums (WEF), das neben knapp 3.800 weiteren Absolventen auch Angela Merkel, Tony Blair, Gordon Brown, Nicolas Sarkozy und Bill Gates auf ihre Karrieren in der »regelbasierten internationalen Ordnung« vorbereitete. Ein weiterer WEF-Absolvent ist Lawrence Summers, US-Finanzminister unter Bill Clinton, nationaler Wirtschaftsberater unter Barack Obama und von 1991 bis 1993 Chefökonom der Weltbank. Darüber hinaus war Summers von 2001 bis 2006 Präsident der Harvard University, wo bis 2006 auch Mark Zuckerberg studierte und mit drei Kommilitonen Facebook gründete.
Nach nicht zweifelsfrei verifizierbaren Angaben eines anonymen Facebook-Whistleblowers soll Summers in diesem Zeitraum auf Zuckerberg zugegangen sein, um ihm für die Mitarbeit an einem Social-Media-Überwachungs-Projekt der DARPA lukrative Regierungsaufträge in Aussicht zu stellen – siehe Life Log, das einen Tag vor dem Start von TheFacebook offline ging. In Anbetracht von Summers Position durchaus denkbar. Auch Moral scheint dem Mann ein Fremdwort zu sein, wie Formulierungen aus einem Weltbank-Memo Summers zeigen, die am 18. Mai 1993 bei einer Anhörung im US-Senat thematisiert wurden.
»Ich denke, die wirtschaftliche Logik, die hinter der Entsorgung einer Menge von Giftmüll in einem Land mit den niedrigsten Löhnen steht, ist einwandfrei, und wir sollten uns dem stellen. (…) Ich war schon immer der Meinung, dass die unterbevölkerten Länder Afrikas stark unterverschmutzt sind.«
Nicht zu vergessen Summers enge Verbindungen zum Pädophilen, Sexualstraftäter und Menschenhändler Jeffrey Epstein. Nachdem Summers bereits mehrfach mit Epsteins Privatjet – bekannt unter dem Namen »Lolita Express« – unterwegs war, bestieg er die Maschine nur zehn Tage nach seiner Hochzeit im Jahr 2005 erneut, um Epsteins ominöse Privatinsel »Pedophile Island« zu besuchen. Die Huffington Post schrieb dazu am 24. April 2020: »Joe Biden sollte sich von Larry Summers fernhalten – Summers ruiniert alles, was er anfasst«. Summers WEF-Training scheint sich jedenfalls ausgezahlt zu haben. Denn wer mit Jeffrey Epstein zu tun hatte, ist definitiv im Establishment angekommen.
Tony Blair und Gordon Brown hatten vor dem WEF bereits das 1940 von Nelson Rockefeller initiierte und bis heute vom US-Außenministerium betriebene »International Visitor Leadership Program« (IVLP) durchlaufen. Auch der 1972 gegründete German Marshall Fund betreibt diverse Förderprogramme – siehe EU-US Young Leaders Seminar 2024 oder Policy Designers Network 2024, das sich auf transatlantisch bewegten Nachwuchs aus der Ukraine, Georgien und Armenien fokussiert. Auch die Elite-Universitäten kümmern sich um Nachwuchs. So unter anderem das seit 1902 bestehende Rhodes Stipendium der Oxford-Universität, das neben unzähligen US-Senatoren, Finanzmagnaten, Bestsellerautoren und Wissenschaftlern beispielsweise Edwin Hubble, Bill Clinton oder Naomi Wolf zu Ruhm verhalf. Rhodes-Alumni bleiben über Organisationen wie AARS (Association of American Rhodes Scholars) ein Leben lang verbunden.
Diesbezüglich Fakten zusammenzutragen erscheint bisweilen müßig. Denn mit Details und Verflechtungen zu Entitäten dies- und jenseits des Atlantik, die Führungskräften von morgen die sozioökonomische Philosophie der Herrschaftskaste vermitteln, könnte man Bände füllen. Versucht man die Herrschaftsphilosophie der heutigen Plattform-Plutokraten zu verstehen, sticht eine Organisation dabei allerdings heraus – und zwar die 1988 von John Brockman ins Leben gerufene Edge Foundation. Geburtsort der »Dritten Kultur«.
Die Frankfurter Allgemeine portraitierte Brockman am 7. Januar 2014 mit den einleitenden Worten: »Der wohl wichtigste Buchagent der Welt versammelt in seinem Internetsalon Edge die Cyber-Elite.« Danach beschreibt FAZ-Autor Jordan Mejas, was sich der Normalsterbliche unter Edge vorstellen darf:
»Edge, das ist der Treffpunkt für die Cyber-Elite, die erlauchtesten Geister, die das Vorfeld der neuesten natur- und sozialwissenschaftlichen Entwicklungen prägen, ob nun digital oder gentechnisch, ob psychologisch, kosmologisch oder neurologisch. Jedenfalls melden sich bei Brockman nicht nur Digerati aus dem Computeruniversum des Silicon Valley zu Wort, sondern genauso häufig Koryphäen wie die Evolutionsbiologen Richard Dawkins und Steven Pinker, der Philosoph Daniel Dennett, der Kosmologe Martin Rees, die biologische Anthropologin Helen Fisher, der Ökonom, Psychologe und Nobelpreisträger Daniel Kahneman, der Quantenphysiker David Deutsch, der Computerwissenschaftler Marvin Minsky oder der Sozialtheoretiker Anthony Giddens. Vom Apple-Mitbegründer Steve Wozniak bis zum Genomentschlüssler Craig Venter reicht seine Gästeliste, die ihresgleichen auch in der grenzenlosen Weite des Internets kaum finden wird.«
Was dem FAZ-Autor bei seiner Recherche offensichtlich entging, ist, dass neben Giddens, Wozniak, Dennis Hopper und all den wissenschaftlichen Koryphäen auch Jeff Bezos (Gründer von Amazon, Besitzer Washington Post), Elon Musk, Sean Parker (Gründer von Napster, Co-Gründer Facebook), Larry Page und Sergey Brin (Gründer von Google), Pierre Omidyar (Gründer von eBay), Salar Kamangar (ehem. CEO YouTube), Matt Groening (Erfinder von »Die Simpsons«), Marissa Mayer (ehem. CEO Google und Yahoo), Joi Ito (ehem. Direktor MIT Media Lab), Evan Williams (Co-Gründer Twitter), Paul Romer (Economist) oder Bill Gates regelmäßig auf der Gästeliste von Edge-Events standen. Wer sich durch die Event-Sektion der Edge-Webseite klickt, begegnet unter dem Menüpunkt »Billionaires’ Dinner« der damaligen wie heutigen Crème de la Crème der Plattform-Plutokratie. Garniert mit ein paar Sahnehäubchen aus Wissenschaft, Kunst und Kultur.
Hervorzuheben ist dabei vor allem das Billionaires’ Dinner 2011. Denn die Fotogalerie des Events (hier zusätzlich gesichert im Internet Archive) birgt eine kleine Überraschung: das bislang einzige Foto, das Elon Musk in Gegenwart des zu diesem Zeitpunkt bereits für Sexualstraftaten und Menschenhandel angeklagten Jeffrey Epstein zeigt. Musk sitzt zwar am Nebentisch, mit dem Rücken zur Kamera, ist dank Vergleichsaufnahmen des Events aber zweifelsfrei zu identifizieren. Interessant ist dieser Umstand deshalb, weil Musk bisher stets behauptete, Epstein lediglich einmal in dessen Haus in New York getroffen zu haben. Für 30 Minuten. Und zwar auf Drängen seiner damaligen Partnerin Talulah Riley, die Epstein angeblich für ihre Arbeit an einer Novelle kennenlernen wollte.
Ein Artikel der Newsweek vom 9. November 2022 bestätigt sowohl Musks als auch Epsteins Anwesenheit beim Edge Billionaires’ Dinner 2011. Darüber hinaus geht Newsweek noch einmal auf den Umstand ein, dass Elon Musk bereits auf einem Foto von 2014 mit Ghislaine Maxwell zu sehen war, der linken und rechten Hand Epsteins. Musk gab an, dass besagtes Bild nur entstanden sei, weil Maxwell sich ungefragt ins Bild gedrängt habe. Diesen Eindruck macht das Foto zwar nicht, das Gegenteil zu beweisen, dürfte jedoch schwer fallen. Nun sind Fotos von Gästen einer Veranstaltung natürlich noch kein Beleg dafür, dass sie mit deren Organisation zu tun haben. Finanzielle Zuwendungen dagegen schon.
Entsprechend bedeutsam ist daher ein Artikel der BuzzFeed News vom 27. September 2019. Denn er belegt, dass der bei Weitem größte Einzelspender der Edge-Foundation kein Geringerer war als Jeffrey Epstein. Das veranschaulichen die von ProPublica veröffentlichten Steuerunterlagen von Brockmans »Internetsalon« für 2001 bis 2017. So spendete Epstein 638.000 US-Dollar – während die gesamten Spendeneinnahmen sich auf 857.000 US-Dollar beliefen. Ein eigenes Profil auf der Edge-Webseite hatte Epstein natürlich auch. Kaum verwunderlich also, dass die Edge-Foundation ihre wichtigste jährliche Veranstaltung – das Billionaires’ Dinner – sofort einstellte, nachdem Epsteins Zuwendungen ab 2016 ausblieben. BuzzFeed News führt diesbezüglich aus:
»Epstein war ein regelmäßiger Teilnehmer bei Edge-Veranstaltungen. Er war bei den Billionaires’ Dinner Events 1999 und 2000 auf Fotos und Seiten zu sehen, die kürzlich von der Edge-Website gelöscht wurden, und wurde auch in einem Bericht über das Abendessen 2004 erwähnt. Epstein war auch 2011 bei Edge-Veranstaltungen anwesend, nach seiner Verurteilung wegen Sexualverbrechen im Jahr 2008. Darüber berichtete BuzzFeed News Anfang dieses Monats.«
Überschrift des betreffenden Artikels: »2011 war Jeffrey Epstein ein bekannter Sexualstraftäter. Jeff Bezos, Elon Musk und Sergey Brin speisten trotzdem mit ihm.« Weiter erklärt BuzzFeed:
»2002 waren Brockman, seine Frau und Geschäftspartnerin Katinka Matson sowie die führenden Wissenschaftler Steven Pinker, Richard Dawkins und Daniel Dennett in Epsteins Jet auf dem Weg zu TED in Monterey, Kalifornien, zu sehen – der mehrtägigen Technologie-, Unterhaltungs- und Designkonferenz, bei der das Billionaires’ Dinner diesen Jahres stattfand. Die Bildunterschrift wurde kürzlich geändert, um die Erwähnung Epsteins zu entfernen. Sein Edge-Profil, das ihn als Finanzier und Wissenschaftsphilanthrop beschreibt, wurde ebenfalls entfernt. Ob Epstein selbst am Billionaires’ Dinner 2002 teilnahm, ist unklar. Aber Mitglieder seines Gefolges waren dort. Ein Foto von der Veranstaltung zeigt Brockman mit zwei jungen Frauen, die in der Bildunterschrift namentlich genannt werden. Das Foto wurde kürzlich ebenfalls von der Edge-Webseite entfernt. Eine dieser Frauen ist Sarah Kellen, die als Assistentin von Epsteins ehemaliger Freundin Ghislaine Maxwell angestellt und im Rahmen eines Vergleichs von 2008 vor Strafverfolgung geschützt war. Der Vergleich brachte Epstein nach seiner früheren Verhaftung eine 13-monatige Gefängnisstrafe in Florida ein. In mehreren Klagen haben Epsteins Opfer behauptet, Kellen gehöre zu den Personen, die halfen, den sexuellen Missbrauch für Epstein zu organisieren.«
Brockmans Interaktionen mit Epstein gingen aber offenbar weit über die Edge-Foundation hinaus. Im August 2019 publizierte der belarussische Publizist Evgeny Morozov auf Google Drive E-Mail-Korrespondenz aus dem Jahr 2013, die belegt, dass Brockman Pläne hatte, ein Meeting zwischen ihm und Epstein zu arrangieren. Doch Morozov lehnte ab. In den Mails an Morozov erwähnt Brockman Epsteins »hübsche junge Assistentin aus Weißrussland« und beschreibt seinen Gönner fälschlicherweise als »Milliardär, dem Victorias Secret und eine Modelagentur gehören«. Tatsächlich lag Epsteins Vermögen gemäß seines Testaments aber nur bei einigen hundert Millionen – und die fragwürdige Marke Victorias Secret ist Teil von L Brands, der Holding von Leslie Wexner, einem Tiefenstaat-Veteran mit Verbindungen zu Harvard und WEF-Gründung, dessen Finanzen Jeffrey Epstein bis 2007 verwaltete.
Auch sonst pflegte Brockmans Organisation verwunderliche Geschäftspraktiken. Zwischen 2001 und 2017 vergab die Edge-Foundation beispielsweise nur ein einziges Mal einen Förderpreis. Der entsprechende Betrag in Höhe von 100.000 US-Dollar ging an David Deutsch, einen Pionier für Quanteninformationstheorie, der an der Universität Oxford forschte. Financier des Preises – man ahnt es – war Jeffrey Epstein. Nicht umsonst stellte The Verve am 19. September 2019 fest, dass »Jeffrey Epstein die Wissenschaft infiltrierte, weil die Wissenschaft bereit war, ihn willkommen zu heißen«.
So knüpfte der Finanzmagnat Kontakte zu prominenten Biologen wie George Church, weil er nach Wegen suchte, die menschliche Spezies mit seiner DNA zu kreuzen. Langfristiges Ziel: Das Schaffen einer »Super-Rasse«. Mehrere preisgekrönte Wissenschaftler bestätigten gegenüber der New York Times, dass Epstein auch sie in seine misogynen Pläne eingeweiht hatte. Auf seiner abgelegenen, unterkellerten »Zorro-Ranch« in New Mexico, wo jedes Zimmer mit Kameras überwacht wurde, hatte er eigens ein Behandlungszimmer einrichten lassen, um künstliche Befruchtungen mit jungen Frauen durchführen zu können.
Bei The New Yorker konnte man am 6. September 2019 nachlesen, dass Epstein sich auch im Bereich digitale Währungen engagierte. Unter anderem finanzierte er das damals von Joi Ito geleitete MIT Media Lab – und damit auch die von Ito geführte Digital Currency Initiative (DCI). Diese wiederum unterstützte die Bitcoin-Core-Entwickler bei der Fork 2017, die Bitcoin von einer digitalen Währung zu, wie Epstein es nannte, »digitalem Gold« machen sollte – und damit weitaus ungefährlicher für das herrschende Finanzmarktkartell. Bill Gates, Harvard-Autoren wie Steven Pinker oder MIT-Programmierer wie Richard Stallmann verteidigten Epstein sogar noch nach dessen endgültiger Festnahme. Stallmann forderte gar, Kinderpornografie zu entkriminalisieren. Joi Ito dagegen kündigte kleinlaut beim MIT. Heute ist er Präsident des Chiba Institute for Technology in Japan, wo das Center for Radical Transformation (CRT) angesiedelt ist. Auch die Digital Currency Initiative gibt es bis heute. Genau wie das »digitale Gold«, mit dem aber fast niemand mehr bezahlt. HODL und so.
Mit dem Thema Digitalwährungen nähern wir uns denn auch Jeffrey Epsteins Einfluss auf den Geschäftsbereich der »glorreichen Sieben«. Denn der im Gefängnis ermordete Menschenhändler finanzierte nicht nur einen Großteil von Brockmans Edge-Aktivitäten, sondern sorgte durch die Infiltration des Wissenschaftsbetriebes auch dafür, dass Edge den Tech-Nachwuchs in genau der Domäne schulte, die für das Erringen von Weltherrschaft im Mediazän essenziell ist: Social Engineering.
Dazu veranstaltete die Edge-Foundation sogenannte Master Class Events. Im Jahr 2008 zum Beispiel zum Thema »Libertärer Paternalismus – warum es nicht möglich ist, nicht zu nudgen«. Dozent: Richard Thaler, »Vater der modernen Verhaltensökonomie«, über den die ZEIT am 18. Mai 2010 unter der Überschrift »Die Stunde der Verführer« schrieb:
»Richard Thaler hat den Draht nach oben. Der 64-Jährige ist einer der weltweit führenden Verhaltensökonomen – neuerdings berät er auch die Wirtschaftsexperten des mächtigsten Mannes der Welt, US-Präsident Barack Obama. Auch die britischen Konservativen, die in London die neue Regierung führen, haben dem Professor der Universität von Chicago einen Beraterposten versprochen. Thaler steht an der Spitze einer wirtschaftspolitischen Revolution. (…) Verhaltensorientierte Wirtschaftsforscher postulieren (…) eine grundlegend andere Wirtschaftspolitik. Zwar lehnen sie – ähnlich wie klassische liberale Ökonomen – eine direkte Bevormundung des Einzelnen durch den Staat ab. Sie sprechen sich aber für sanften Druck aus, mit dem der Staat die Menschen in die richtige Richtung leitet, ihnen gleichzeitig aber die Option lässt, sich anders zu entscheiden, wenn sie es wollen. »Nudge« (Anstupsen) hat Thaler dieses Politikkonzept zusammen mit Co-Autor Cass Sunstein im gleichnamigen Buch getauft. Private Institutionen, Behörden und Regierungen versuchen dabei, die Entscheidungen der Menschen so zu lenken, dass sie hinterher besser dastehen. Ein anderer Begriff, der den neuen Politikansatz charakterisiert, ist sanfter Paternalismus.«
Das Buch, das ZEIT-Autor Olaf Storbek referenziert, hat Thaler 2010 gemeinsam mit Cass Sunstein verfasst, einem Edge-Kollegen und Harvard-Professor für Rechtswissenschaft und Verhaltensökonomie. Deutscher Titel des Werks: »Nudge – wie man kluge Entscheidungen anstößt«. Alternativ untertitelt mit: »Wie man Menschen dazu bringt, das Richtige zu tun«. In welche Kerbe das Machwerk schlägt, zeigt der Umstand, dass Cass Sunstein schon im Januar 2008 ein Papier namens »Verschwörungstheorien« publizierte, die er darin als ernsthaftes Risiko für Recht und Gesetz einstufte. Sunstein verteidigt das offizielle 9/11-Narrativ, will eine bargeldlose Gesellschaft und hielt Corona-Lockdowns für eine »smarte« Sache. Ein Beitrag von Sunstein für »Educators at Home« vom 14. September 2010 offenbart, was für ein Menschenbild die Rechtswissenschaften in Harvard mittlerweile kultivieren:
»Wenn wir erst einmal wissen, dass Menschen menschlich sind und etwas von Homer Simpson in sich tragen, dann kann man viel tun, um sie zu manipulieren.« (Cass Sunstein)
Trotz, oder gerade wegen dieser respektlosen Haltung gegenüber den Freiheitsrechten des Individuums, öffnete ihr gemeinsames Werk Thaler und Sunstein die Türen zum Elfenbeinturm. Ab 2008 berieten die beiden Verhaltensökonomen die Regierung von Barack Obama beim Aufbau sogenannter »Nudge-Units«. Kurze Zeit später unterstützte Richard Thaler auch die britische Regierung und half bei der Formierung des »Behavioural Insights Team« (BIT), dem sowohl Sunstein als auch Thaler bis heute angehören. Das BIT spielte via SAGE (Scientific Advisory Group for Emergencies), dem britischen Äquivalent zum Robert-Koch-Institut (RKI), eine tragende Rolle bei der Implementierung der Covid-19-Maßnahmen in Großbritannien. Händewaschanleitungen für Erwachsene, tote Großeltern für die Kleinen. Sie wissen schon. Strategieberater von Tony Blair hatten bereits im Februar 2004 eine Studie zum Thema »Persönliche Verantwortung und Verhaltensänderung: Stand des Wissens und Auswirkungen auf die öffentliche Politik« erstellen lassen – nur Thalers griffige Bezeichnung für die neue Doktrin fehlte noch. Ein Auszug aus dem Papier von 2004 erklärt:
»Mit Blick auf die Zukunft besteht ein offensichtlicher Bedarf, unser theoretisches und empirisches Verständnis der Ursachen für Verhalten und Verhaltensänderung zu stärken. Ebenso wichtig wird die umfassendere Erprobung politischer Instrumente sein, um ein ausgefeilteres Instrumentarium für politische Entscheidungsträger zu entwickeln. Die Politik sollte nicht einfach persönliche Verantwortung oder Schuldzuweisungen proklamieren, sondern muss sich an der Art und Weise orientieren, wie Menschen tatsächlich denken und fühlen, sowie an den sozialen und psychologischen Kräften, die das Verhalten beeinflussen.«
Das war vor 20 Jahren. Drei Jahre später kam das Smartphone auf den Markt und mauserte sich binnen kurzer Zeit zum perfekten Werkzeug einer auf Nuding ausgelegten Observationsökonomie. Heute hat fast jeder ein grell illuminiertes Brett vor dem Kopf, das seinen Tagesablauf, Bio-, Kommunikations- und Schlafrhythmus beeinflusst. Oder steuert. Je nach Schwere der Handysucht. Das eigentliche Problem dabei ist jedoch nicht die Hardware, das Endgerät, sondern die Software der »glorreichen Sieben«. Denn sie ist so designt, dass sie abhängig, krank und depressiv macht – und Menschen dazu bewegt, »das Richtige zu tun«. Auch wenn es absolut falsch ist.
»Wie schaffen wir es, möglichst viel von deiner Zeit und Aufmerksamkeit zu konsumieren. Dazu müssen wir dir hin und wieder eine kleine Dopamin-Dosis verabreichen. (...) Das bringt dich dazu, mehr beizutragen, was dir wiederum mehr Kommentare und Likes bringt. Es ist ein sozial validierender Feedback-Loop. (...) Wir nutzen eine Schwäche der menschlichen Psychologie. Die Erfinder, die Erschaffer, ich, Mark, die Leute von Instagram, all diese Menschen, haben das verstanden - voll und ganz - und wir haben es trotzdem getan.« (Sean Parker, am 8. November 2017)
Nahtlos kontrolliert wird der auf Konformismus dressierte Bürger dabei von einem Überwachungskomplex unvorstellbaren Ausmaßes. Die Webseite von Surveillance Watch führt Buch über die wichtigsten dafür zuständigen Unternehmen.
Nachdem Facebook 2004 online ging und das iPhone 2007 auf den Markt kam, erscheint das Jahr 2008 also tatsächlich als der perfekte Zeitpunkt für Edge, um die Silicon-Valley-Elite in puncto Nudging und Sozialarchitektonik zu schulen. Das soziale Netzwerk war seinen Kinderschuhen entwachsen – am 26. August 2008 knackte Facebook die 100 Millionen-Nutzer-Marke – und mit dem Taschenspion aus dem Hause Apple kündigte sich bereits das mächtigste Manipulations-Malträtat der Zivilisationsgeschichte an. Für die herrschenden Zirkel war absehbar, dass die Frontlinien des transgenerationalen Informationskrieges schon bald nicht mehr über die Auslagen der Zeitungskioske, durch Rundfunkredaktionen oder über die Mattscheibe, sondern direkt durch die Köpfe der Bevölkerung verlaufen werden.
Dieses Ziel wurde fraglos erreicht. Entsprechend hellhörig sollte machen, welche Themen die Edge Master Class 2008 behandelte. Die zweite Session widmete sich zum Beispiel dem Thema »Verbesserung der Auswahlmöglichkeiten durch maschinenlesbare Offenlegung«. Richard Thaler umriss deren Inhalt mit folgendem Eröffnungsstatement:
»Das ist die Idee. Ich nenne es elektronische Offenlegung. Lassen sie mich erklären, wie es bei Kreditkarten funktionieren würde. Die Idee ist, dass das Kreditkartenunternehmen ihnen für jede Kreditkarte, die sie besitzen, einmal im Jahr zwei elektronische Dateien senden muss. Die erste Datei wäre im Wesentlichen eine Tabelle mit allen Formeln für alle Möglichkeiten, wie ihnen Dinge in Rechnung gestellt werden können. (…) Die zweite Datei ist die Liste der Dinge, für die ihnen im letzten Jahr Gebühren in Rechnung gestellt wurden. Es könnte heißen, ihnen wurden im letzten Jahr 1.800 Dollar für diese Kreditkarte berechnet, davon 1.200 Dollar für Zinszahlungen, für Verzugsgebühren, oder Währungstransfers und so weiter. Wir glauben nicht, dass sich irgendjemand diese Dateien jemals ansehen würde. Wir glauben, dass sofort Websites auftauchen würden, die diese Informationen verarbeiten würden. Diese Websites würden den folgenden Zwecken dienen. Erstens: Übersetzung. Sie würden dem Benutzer in einfachem Englisch erklären, was mit ihm passiert. Zweitens: Verhaltensänderung. Sie würden ihm erklären, dass er 1.800 Dollar bezahlt hat, weil er unfähig war, seine Rechnungen pünktlich zu bezahlen. Wenn er also eine automatische Zahlung einrichten würde, würde er viel Geld sparen. Drittens: Preisvergleich. Beachten sie bitte, dass die entsprechenden Unternehmen mit diesen Informationen die Nutzungsmuster kennen; und sie kennen alle Formeln für alle Kreditkartenunternehmen. Sie können also drei Kreditkartenunternehmen suchen, und finden, die für die Art und Weise, wie der Nutzer seine Kreditkarten verwendet, besser wären. Das ist das Konzept. (…)«
Jeff Bezos warf kurz darauf ein: »Außerdem werden sie bezahlt. Sie sind wie der Fuchs, der den Hühnerstall bewacht.«
Dem wachsamen Leser dürfte klar sein, dass wir heute genau von solchen System umgeben, überwacht, analysiert und bedrängt werden. Zu unserem Vorteil – wie Thaler meint.
Bemerkenswert in Bezug auf das, was uns noch bevorstehen könnte, ist die dritte Session der Master Class 2008. Thema: »Die Psychologie der Knappheit«. Teilnehmer – unter anderem: Jeff Bezos, Sean Parker, Elon Musk, Nathan Myhrvold, der 14 Jahre als Stratege für Bill Gates arbeitete, Daniel Hillis, ehemals Vizepräsident für Forschung und Entwicklung bei Disney und Vater des Parallel Computing, das die Grundlage für moderne Supercomputer darstellt, et cetera. Neben Richard Thaler sprach bei der dritten Session auch Sendhil Mullainathan, Volkswirt an der Harvard-Universität. Sein Spezialgebiet: Verhaltensökonomie und Armutsökonomik. Einleitend erklärte Mullainathan:
»Lassen wir die Armutsbekämpfung für einen Moment beiseite und fragen uns: Gibt es etwas, das der Armut innewohnt und das an und für sich eine Untersuchung wert ist? Einer der Gründe dafür ist, dass wir – abgesehen von Wundermitteln – verstehen müssen, ob es unter Bedingungen der Knappheit gemeinsame Prinzipien gibt, die uns helfen können, Verhalten zu verstehen und Interventionen zu gestalten. Wenn wir das Gefühl haben, dass Bedingungen der Knappheit bestimmte psychologische Effekte hervorrufen, dann wird das, ganz zu schweigen vom rein wissenschaftlichen Interesse, eine große Mehrheit der Interventionen beeinflussen. Das ist eine wichtige und alte Frage.«
Korrekt. Denn Schuldknechtschaft war, wie die künstliche Verknappung von Nahrungsmitteln, seit jeher ein beliebtes Mittel der herrschenden Kaste, um den Pöbel im Zaum, beziehungsweise mit existenziellen Problemen auf Trab zu halten. So hat er nämlich weder Zeit noch Energie, um mit Mistgabeln und Fackeln gen Elfenbeinturm aufzubrechen. In diesem Zusammenhang sei nochmals auf »Food Chain Reaction – A Global Food Security Game« hingewiesen, ein Planspiel, das im November 2015 vom tiefenstaatlichen Center for American Progress, dem World Wildlife Fund, Center for Naval Analyses (CNA), Cargill und Mars durchgeführt wurde und Nahrungsmittelknappheit im Zeitraum von 2020 bis 2030 simulierte.
Der Einblick in die Ausbildungsprozesse der Edge-Foundation und die Liste ihrer Teilnehmer gibt somit allen Anlass zu befürchten, dass Brockmans »Internetsalon« die zentralen Akteure der kontinuierlich engmaschiger greifenden Technokratie nicht nur in puncto Social Engineering ausbilden, sondern sie darüber hinaus auf eine Zeit von Mangelwirtschaft und massiver Armut vorbereiten wollte. Auf die »Dritte Kultur«. Die wohlstandsvernichtende Tokenisierung der Welt.
Dabei sollte nicht vergessen werden, dass Brockman vermutlich nur ein geschäftstüchtiger Narzisst mit sozialen Kompetenzen war, der seine Chance auf Geld und Rampenlicht geschickt zu nutzen wusste – und dass Jeffrey Epstein als maßgeblicher Finanzier der Edge-Foundation nicht einfach im Alleingang handelte. Denn Epstein war Doppelagent, unterwegs im Auftrag von CIA und Mossad. Mindestens. Dass er mittlerweile nicht mehr unter den Lebenden weilt, dürfte weder sein Geheimdienstnetzwerk noch seinen elitären Kundenstamm davon abgehalten haben, sein schmutziges Geschäft weiterzubetreiben.
Man kann also durchaus mit einem metaphorisch zu lesenden Zitat aus jenem kultigen 60er-Film schließen, dessen Titel nun als Bezeichnung für ein Septett börsennotierter Technokratie-Operatoren missbraucht wird:
»Das Blutvergießen wird so lange weitergehen, bis die Ursache dafür ausgehoben ist.«
Bild: Andrew Swainson