Blog Post

regenauer.blog

Working Class Hero

Eine Prise Beatles-Mysterium. Und eine Hommage an den vermutlich stärksten politischen Songtext aller Zeiten. Vertont und veröffentlicht vor über einem halben Jahrhundert von John Winston Lennon. (>)



Tom-Oliver Regenauer | 14.08.2022

»Als ich fünf Jahre alt war, sagte mir meine Mutter immer, dass Glück der Schlüssel zum Leben sei. Als ich zur Schule ging, fragten sie mich, was ich sein wollte, wenn ich groß bin. Ich schrieb – glücklich. Sie sagten mir, dass ich die Aufgabe nicht verstehe. Und ich sagte ihnen, dass sie das Leben nicht verstehen.« (John Winston Lennon)


John Winston Lennon war seiner Zeit voraus. Und seiner Band. Zumindest in Bezug auf seine politischen wie philosophischen Ein- und Ansichten. Der aus Liverpool stammende Musiker war Gründer und offizieller Bandleader der erfolgreichsten Rockgruppe der Musikgeschichte – The Beatles. Auch wenn in der Spätphase der kongenialen Formation häufig sein Jugendfreund Paul McCartney im Vordergrund stand. Musikalisch wie medial.

 

Die erste Single der Beatles, »Love Me Do«, erschien im Jahr 1962. Nachdem die Band eine Vielzahl bis heute gültiger Allzeitrekorde aufgestellt hatte – und wie im Jahr 2018, mit der längsten Zeitspanne zwischen zwei identischen Nummer-1-Platzierungen, weiter aufstellt – trennten sich die Wege der vier Künstler schon 1970 wieder. Acht Jahre genügten, um die Welt zu verändern. Circa eine Milliarde Tonträger sollen die vier »Lads« (Eng., Jungs) bis dato verkauft haben. Die Experimentierfreudigkeit und Innovationskraft der Band sorgte dafür, dass ihr Wirken bis in die Gegenwart nachhallt. Und die Songs klingen auch nach 60 Jahren immer noch erstaunlich »fresh«.


Auch in puncto Technik gingen die Ausnahmemusiker – unterstützt von den Toningenieuren der Londoner Abbey Road Studios (früher EMI Studios) – mit jeder Veröffentlichung neue Wege. Darüber hinaus definierten sie das Verhältnis von Künstlern zu Plattenlabels und Produzenten neu, lieferten das erste waschechte Konzeptalbum der Popgeschichte ab und erfanden im Studio nebenbei die DI-Box (Eng., Direct Injection, D., Direkte Einspeisung), mit der E-Gitarren nun direkt an Mischpulte angeschlossen werden konnten. Eine Revolution. Sie druckten als erste Band Songtexte auf ihre Alben, veranstalteten die ersten Stadion-Konzerte, nahmen den ersten Hard-Rock-Song der Geschichte auf (Helter Skelter), waren mit Granden wie Pablo Picasso oder Maria Callas die Headliner der ersten weltweit live per Satellit ausgestrahlten Fernsehsendung und legten mit ihren Musikfilmen den Grundstein für das Format »Musik-Video«, wie wir es heute kennen. Auch den erste Chart-Hit der Rolling Stones stammt aus der Feder von Lennon und McCartney. Das Musik-Magazin »Rolling Stone« wies den Beatles im Jahr 2004 somit zurecht den ersten Platz der 100 größten Musiker aller Zeiten zu.


Nach dem letzten gemeinsamen Album, »Abbey Road«, das in der Diskografie zwar vor »Let It Be« gelistet wird, aber danach aufgenommen wurde – weil »Let It Be« das einzige Album der Beatles ist, das nicht George Martin in London produzierte, sondern Phil Spector in den USA – und daher später auf den Markt kam, trennte sich die Band aufgrund verschiedenster Differenzen. Künstlerisch, organisatorisch, privat – man hatte sich auseinandergelebt. Energien aufgebraucht. Ruhm und Geld forderten zusätzlichen Tribut.


Soweit die offizielle Story. Denn der astronomische Erfolg der vier Barden aus Liverpool schien auch dunkle Kräfte anzuziehen und freizusetzen. So beschäftigen sich bis heute Unmengen von Fans und Nerds wie Mike Williams mit den zahlreichen Rätseln, die der Band seit jeher eine geheimnisvolle Aura verleihen. Vom vermeintlichen Austausch Paul McCartneys gegen einen Doppelgänger, weil der echte Beatle bei einem Autounfall im Jahr 1967 gestorben sein soll, bis zum Bild von Aleister Crowley, dem umstrittenen Okkultisten, und anderen Merkwürdigkeiten auf dem Cover von »Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band«. Es rankt sich eine Vielzahl von Mythen um die Geschichte der Pilzköpfe.


Zum Beispiel die seit den 60ern kursierenden Gerüchte, dass das Tavistock-Institute, eine britische Social-Engineering-Einrichtung, die Band zur Forcierung der Flower-Power-Bewegung missbraucht haben soll, um damit den Grundstein für die fragmentierte und egozentrierte Gesellschaft des Medienzeitalters zu legen. Möglich. Denn wie man heute eingestehen muss, versandeten die revolutionären Bemühungen der Blumenkinder aus den »Swinging Sixties« mehrheitlich in den Wohnzimmern einer gut situierten Mittelschicht. Die Verantwortung für die Rettung des Planeten hat diese mit dem Ende ihrer Adoleszenz an NGOs, linke Parteien und ein paar exponierte Aktivisten delegiert. Auf den Weltfrieden wartet man jedoch immer noch vergeblich.


Auch Zweifel an der offiziellen Darstellung des frühen Todes von Brian Epstein, dem homosexuellen Manager der Beatles, halten sich hartnäckig. Er soll am 27. August 1967 an einem Drogencocktail verstorben sein. Andere Stimmen behaupten, er wurde beseitigt oder beging Selbstmord, weil er unglücklich in John Lennon verliebt war und von diesem zurückgewiesen wurde. Oder, weil man an höherer Stelle bemüht war, sexuelle Eskapaden der beiden zu vertuschen. Ebenso stehen bis dato Fragen im Raum, die unwahrscheinliche musikalische Komplexität manch einer Beatles-Komposition betreffend. Nach Ansicht nicht weniger Experten konnten die musiktheoretisch unbewanderten »Fab Four« diese kaum allein bewerkstelligt haben. Sir George Martin, der Produzent der Beatles, hatte dagegen eine klassische musikalische Ausbildung genossen. Dass er bei Stücken wie »Yesterday« oder »Eleanor Rigby« für die Streicher-Arrangements verantwortlich zeichnete und den jungen Musikern immer wieder Tipps und Anregungen gab, ist bekannt. Unklar ist, ob es darüber hinaus Personen gab, die signifikanten Einfluss auf die Kompositionen nahmen.


Eine Vielzahl von dubiosen Todesfällen im Umfeld der Band sind bis in die Gegenwart ebenfalls ungeklärt. Zuvorderst jener von Mal Evans, dem langjährigen Roadmanager und »Mädchen für alles« der Beatles. Neben Neil Aspinall wohl die Person, die der Band über all die Jahre hinweg am nächsten stand. Ein Freund. Er wurde 1976 in Los Angeles von der amerikanischen Polizei mit sechs Kugeln erschossen. Angeblich, weil er seine Motel-Türe öffnete und eine Waffe in der Hand hielt. Wie sich herausstellte, handelte es sich jedoch lediglich um ein Spielzeuggewehr, das auf dem Tisch im Zimmer lag. Zudem galt Mal Evans als besonnener, verlässlicher und liebevoller Mensch – Paul McCartney nannte ihn einen »gutmütigen Teddybär«. Der Beisetzung von Mal wohnte dennoch kein einziger Beatle bei.


Pikant: Evans hatte ein Manuskript bei sich. Und einen Koffer voller Dokumente mit intimen Informationen zu seiner Zeit mit den Beatles. Beides wollte er am nächsten Tag mit seinem Verlag Grosset & Dunlap besprechen, der ihm auch bei der Veröffentlichung eines Insider-Buches helfen sollte. Sowohl das Manuskript als auch der Koffer mit den Unterlagen sind seit dem letalen Besuch des LAPD (Los Angeles Police Department) verschollen. Der ehemalige Beatles-Roadie wurde vor Ort in LA kremiert und anschließend per Urne zurück nach England versandt – wo diese zunächst in der Post verloren ging.


Dubios auch die Umstände des nahezu tödlichen Angriffs auf George Harrison im Dezember 1999. Um 3:30 Uhr morgens drang der Täter, Michael Abraham, in Friar Park ein, dem Anwesen der Harrisons. Der wach gewordene George stellte den Eindringling. Der Versuch, Abraham zu überrumpeln, um ihm das Messer zu entreißen, scheiterte allerdings. Daraufhin stach dieser mehrfach auf den Ex-Beatle ein. Anschließend ging er auch noch auf Harrisons Frau los. Die konnte sich jedoch losreißen und verstecken. Nach 15 Minuten traf die Polizei am Ort des Geschehens ein und nahm den Angreifer fest. Dieser gab als Tatmotiv an, analog zu Mark David Chapman, dem Mörder von John Lennon, dass er Stimmen im Kopf vernommen habe, die ihn zu der Attacke motivierten. Harrison überlebte sie. Schwer verletzt.


»Ich glaube wir werden von Wahnsinnigen gelenkt, zu einem wahnsinnigen Ende. Und ich glaube, ich werde als Wahnsinniger eingesperrt, weil ich das sage. Das ist das Wahnsinnige daran.« (John Winston Lennon)


Wie Mark David Chapman war auch Michael Abraham eine labile Persönlichkeit, litt im Vorfeld der Tat an psychischen Problemen, nahm Drogen und hatte wiederholt Kontakt zu Strafverfolgungsbehörden. Nach gerade einmal 19 Monaten stationärer Behandlung in einer psychiatrischen Klinik befindet sich Abraham seit 2002 wieder auf freiem Fuß. Bemerkenswert festzuhalten ist, dass die Messerattacke auf Harrison nur 24 Stunden nach einem Gespräch zwischen George und Ringo Starr, dem Drummer der Beatles, stattfand, im Rahmen dessen Harrison offenbar verlauten ließ, er wolle mit der Geheimniskrämerei in Bezug auf die Beatles abschließen, vor allem mit den Gerüchten um Paul, und mit der Wahrheit an die Öffentlichkeit gehen. Zu dem Thema äußerte sich George Harrison im Nachgang nie mehr.


Das ist natürlich Wasser auf die Mühlen jener Beatles-Fans, die Paul McCartney für ein Double halten. Für »Faul«. Und so abstrus solch eine Theorie erscheinen mag – es existieren in der Tat Indizien, die das Szenario zumindest in den Bereich des Möglichen rücken. So zum Beispiel die Tatsache, dass McCartney bei einer Japan-Visite im Jahr 1980 ganze neun Tage im lokalen Drogenknast verbrachte. Und zwar nicht, weil er bei der Einreise einen Beutel Marihuana im Gepäck hatte, sondern weil die japanischen Behörden die Fingerabdrücke der Musik-Legende nicht verifizieren konnten. Sie unterschieden sich von jenen, die McCartney in den 60ern abgegeben hatte, als er mit den Beatles durch Japan tourte und ebenfalls Kontakt mit der Polizei hatte. Erst die Intervention der britischen Regierung sorgte dafür, dass McCartney am 25. Januar 1980 Japan wieder verlassen konnte. Ohne rechtliche Konsequenzen, trotz der nicht unerheblichen Menge an Gras im Gepäck, für die Normalsterbliche in Japan gut und gerne sieben Jahre hinter Gittern verbringen. Bis vor einigen Jahren fand sich zu diesem Vorfall noch der informative Artikel einer Tokioter Tageszeitung im Internet. Dieser wurde zwischenzeitlich aber gelöscht.


Stutzig machen in diesem Kontext auch die Ergebnisse italienischer Forensiker, die 2009 im Wired Magazine veröffentlicht wurden. Biometrische Daten und die wissenschaftliche Auswertung von Fotos verschiedener Perioden bewegten die beiden Forscher zu der Feststellung, dass es mindestens zwei Personen gab, die im Laufe der Zeit als Paul McCartney auftraten. Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine Studie der Universität Neapel (Italien) aus dem Jahr 2019, die einen klaren Unterschied im Duktus von Paul McCartney während der Schaffensphasen vor und nach dem Album »Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band« konstatierte – der Zeitraum, in dem der Doppelgänger die Regie übernommen haben soll.


Ähnlich verwirrend erscheint die Geschichte rund um eine Vaterschaftsklage, die in Deutschland gegen »Macca« anhängig war. Der SPIEGEL berichtete am 21. Mai 2007 darüber. Ebenso die FAZ und die englische Zeitung The Telegraph. Im Raum stand der Vorwurf, Paul McCartney verleugne die Vaterschaft gegenüber einem Anfang der 60er unehelich in Hamburg gezeugten Kind. Außerdem habe er im ersten Prozess diesbezüglich, der bereits in den 80ern stattfand und zu Gunsten von McCartney entschieden wurde, falsche DNA-Proben abgegeben. Die Unterschrift auf den entsprechenden Dokumenten stamme nach neueren Untersuchungsergebnissen nämlich von einem Rechtshänder – während Paul bekanntermaßen mit der linken Hand schreibt und Gitarre spielt.


Der BILD-Zeitung erklärte die damals 46 Jahre alte Klägerin zudem, Paul habe ihrer Mutter im Jahr 1966 eine Einmalzahlung von 30.000 D-Mark als Kompensation und Schweigegeld zukommen lassen – und auch im Anschluss über viele Jahre hinweg 200 D-Mark monatlich als Unterhaltszahlung angewiesen. Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen auf. Doch der Prozess wurde im Jahr 2007 eingestellt. Denn selbst wenn die Straftat stattgefunden haben sollte, so Justizsprecher Michael Grundwald, sei diese zwischenzeitlich verjährt.


Stellt sich die Frage, warum die Mutter überhaupt eine Vaterschaftsklage angestrengt hat, wenn sie davon ausgehen muss, dass im Rahmen der Beweisaufnahme ein DNA-Test angefertigt wird, wonach zweifelsfrei zu ermitteln wäre, ob sie die Wahrheit sagt – wenn dies eben nicht der Fall ist? Gleiches gilt für die neuerliche Klage der Tochter. Unter dieser Prämisse muss man eigentlich davon ausgehen, dass die Damen ernsthaft annahmen, die Klagen schlussendlich zu ihren Gunsten entscheiden zu können. Weil der echte Paul sein Erbgut testen lassen muss. Folglich war die nicht mit der DNA des strittigen Nachwuchses übereinstimmende DNA-Probe von McCartney aus den 80ern tatsächlich »fake«, stammte also zumindest nicht von jenem Paul, mit dem die Hamburgerin zwischen 1959 und 1962 intim gewesen war, oder es ist eben nicht die gleiche Person. Oder die Klägerin war nicht im Vollbesitz ihrer geistigen Fähigkeiten, als sie zur Staatsanwaltschaft ging.


Interessant wäre auch zu erfahren, wovon Paul McCartneys Ex-Frau Heather Mills live im US-Fernsehen sprach, als sie von »Wahrheiten abseits des Vorstellbaren« in Bezug auf ihren früheren Gatten erzählte. Wahrheiten, die derart »schockierend seien, dass die Welt sie nicht ertrüge«. Weiterhin berichtete Mills, dass sie entsprechende Dokumente und Beweise bei Dritten hinterlegt habe, um sich und ihre Familie vor Paul und seinem Umfeld zu schützen. Außerdem stellt sie nachdrücklich klar, dass es sich bei diesen Wahrheiten nicht um Affären oder ähnlich gängige Rockstar-Skandale handele. Das macht natürlich neugierig.


Ähnliche Storys finden sich zuhauf, verfolgt man die über 60-jährige Historie der erfolgreichsten Band aller Zeiten. Und noch immer erscheinen neue Bücher und Dokumentationen zu dem Thema. Zuletzt zum Beispiel »Faul – The Musical« oder die ominöse Buch-Reihe »The Memoirs of Billy Shears«, verfasst vom gleichsam ominösen Autor Thomas E. Uharriet, der sich ansonsten primär mit dem Thema Haiku zu befassen scheint. Wie er vor Jahren dazu kam, sich in die Rolle von Pauls Doppelgänger zu versetzen – oder, sollte es diesen geben, es vollbrachte, an dessen geheime Informationen zu kommen – liegt im Dunkeln. Bei Wikipedia existiert gar ein dezidiertes Diskussionsforum zum Themenkomplex »Paul is Dead«. Gewissheit schaffen konnte aber auch das bisher nicht.

 

So muss der zweifelnde Beatles-Fan wohl weiterhin mit der nagenden Ungewissheit leben, ob es nun der echte Paul McCartney ist, der weiterhin unermüdlich um die Welt tourt – oder ob es vielleicht doch die bei »Paul is Dead-Nerds« hoch im Kurs stehenden Vivian Stanshell, William Campbell, Phil Ackrill von »Danny Laine and The Diplomats« oder Bill Shepherd, Frontmann der Band »Billy Pepper & The Pepperpots« alias Billy Shears sind, die seit 1967 den Beatle mimen. Wie es die genannten Kandidaten vollbringen, oder vollbrachten, parallel zur Darstellung des beschäftigten Beatle ihre eigenen Leben weiterzuführen, lassen die entsprechenden Theorien leider offen.


Manche Dinge möchte man aber vielleicht auch gar nicht genauer ergründen – sondern sich, wie im vorliegenden Fall, ausnahmsweise einfach mit der schimmernden Illusion, dem Endergebnis, der Kunst zufriedengeben. Denn die zeitlose Qualität der Musik leidet bis heute in keinster Weise unter den potenziell dunklen Flecken in der Bandgeschichte oder vermeintlichen Manipulationen aus dem tiefenstaatlichen Hintergrund.


»Leben ist das, was passiert, während man plant.« (John Winston Lennon)


Nach der Auflösung der Beatles war es jedenfalls Paul McCartney, der als erstes ehemaliges Bandmitglied sein gleichnamiges Solo-Album veröffentlichte. Er hatte bereits während den Aufnahmen zu »Abbey Road« daran gearbeitet, was seinerzeit zusätzliche Verstimmungen im Bandgefüge verursachte. John hatte zwar ebenfalls schon 1968 und 1969 mit seiner Frau Yoko Ono an neuer Musik gearbeitet und damit gleichsam begonnen, sich von seiner Band zu emanzipieren, brachte aber erst nach dem letzten Beatles-Album und McCartney die erste Solo-Scheibe auf den Markt. Titel der Platte: »John Lennon/Plastik Ono Band«. Von vielen Kritikern als ehrlichste Rockplatte aller Zeiten gehuldigt.


Lennon hatte nach jahrelangem Tour-Stress, Beatlemania und mannigfaltig schlechten Erfahrungen mit den Schattenseiten der Musikindustrie irgendwann keine Lust mehr auf inszenierte Öffentlichkeit, Imagedesign, Termine und Marketing. Er war auf der Suche. Nach sich, dem Sinn des Lebens und der Wahrheit. Denn der introvertierte und melancholische Freigeist hatte bald nach Erreichen des Weltstar-Status den wahren Charakter des auf Gier basierenden Feudalsystems erkannt, das ihn als Produkt, als Rockstar, Jugendidol und Friedensaktivisten kommerziell wie ideologisch zu instrumentalisieren – und später zu eliminieren suchte.


So findet sich schon auf Johns Solo-Debüt der grandiose Titel »Working Class Hero« – der vermutlich beste (politische) Song – oder Songtext – aller Zeiten. Zumindest aus Sicht des Autors. Für dieses entschiedene Statement gibt es mehrere Gründe. Zum einen ist das Stück musikalisch sehr einfach gehalten und daher auch für Gitarren-Novizen schnell zu erlernen. Die Akkordfolge besteht primär aus A-Moll sowie G-Dur und wechselt lediglich für eine Zeile des Refrains nach D-Dur. So hat der Song bessere Chancen auf rasche Verbreitung. Darüber hinaus ist auch der Gesang wenig komplex und lädt zum Mitsingen ein. Nach ein paar Durchgängen ist man in der Lage, die Zeilen auswendig zu wiederholen. Auch ohne musikalische Begleitung. Zum anderen – und viel wichtiger – ist der Text universell interpretierbar. Für jeden Menschen auf dieser Welt.


Sprich, jeder, der in einer vom Kapitalismus geprägten Gesellschaft lebt, wird sich auf seine ganz individuelle Art und Weise in »Working Class Hero« wiederfinden. Und das nicht nur in einer einzelnen Zeile, in der einen, herausragenden Metapher oder einem für sich stehenden Schlagwort – sondern im gesamten Text, der exemplarisch und interpretationsoffen den Lebensweg eines Menschen der Arbeiterklasse im neofeudalistisch-korrupten System unserer Zeit nachzeichnet. Von der Geburt bis zum Karriere-Peak. Jede Zeile erzeugt sofort ein Bild im Kopf, ruft Kindheitserinnerungen wach und ins Gedächtnis. Das macht die von John Lennon Ende des Jahres 1970 verfassten Verse so stark, die durch das Stück ausgelösten Emotionen so überwältigend.


»Du brauchst niemanden, der dir sagt, wer oder was du bist. Du bist, was du bist!« (John Winston Lennon)


Automatisch projiziert der Empfänger seinen eigenen Lebensweg, subjektive Erfahrungen, persönliche Erinnerungen und vergessene Gefühle in die vom Ex-Beatle mit ruhiger Stimme vorgetragenen Lyrics. John Lennon nimmt den Hörer mit auf eine Reise durch die eigene Vergangenheit. Meint, jene des Teenagers aus Liverpool, der bei seiner Tante aufwuchs – und jene des Hörers gleichermaßen. Er entlarvt das Schulsystem als Indoktrination. Danach die Arbeitswelt als moderne Leibeigenschaft. Und destilliert diese Informationen in eine Handvoll Silben. Das ist hohe Kunst. Komplexe, verkopfte Texte schreiben, ist vergleichsweise simpel. Hinter der Einfachheit, Einprägsamkeit und universellen Adaptierbarkeit eines Liedes, über die eigene Lebensrealität, den eigenen Kulturkreis und die eigene Ära hinaus, verbirgt sich der Pfad zum Meisterstück.


Das Erstaunliche bis Deprimierende an »Working Class Hero«: Der Text hat bis heute keinen Deut an Aktualität eingebüßt. Über ein halbes Jahrhundert nach Aufnahme des vielsagenden Titels ist der Homo Consumens noch immer Sklave seiner Ängste.

Und obendrein mehr denn je Spielball systeminhärenter Entmündigung und Entmenschlichung, von Enteignungsprozessen, ideologischen Machtkämpfen und oktroyierten militärisch-industriellen Hegemonialinteressen. Diese faschistoiden Tendenzen – geradezu linear der Dystopie »1984« von George Orwell folgend – waren für Lennon offensichtlich schon in den 70ern deutlich absehbar, wie verschiedene Interviews mit dem Musiker und Friedensaktivisten aus jener Zeit belegen. Schon damals kritisierte der politisierte Beatle die perfiden, geopolitischen Rochaden der tonangebenden Machtblöcke USA, Russland und China. Des Weiteren war dem Liverpooler absolut klar, dass man das Gewaltmonopol des mafiösen Systems Staat nicht gewaltsam überwinden kann. Dass Widerstand und Revolution nur dann Chancen haben, wenn sich der Protest auf friedlichem Wege Bahn bricht.


»Wenn es dazu kommt, dass man Gewalt anwenden muss, dann spielt man das Spiel des Systems. Das Establishment wird dich reizen, (…) um dich zum Kämpfen zu bringen. Denn wenn sie dich erst einmal gewalttätig gemacht haben, dann wissen sie, wie sie mit dir umgehen müssen. Das Einzige, womit sie nicht umgehen können, sind Gewaltlosigkeit und Humor.« (John Winston Lennon)


So setzte er für seine Kampagnen auf Slogans wie »Give Peace a Chance« oder »War Is Over If You Want It«, auf publikumswirksame »Bed-ins for Peace« mit Yoko, auf künstlerische Freiheit und Humor – vor allem im Umgang mit den dunklen Mächten des Tiefenstaates, die ihrerseits alles daran setzten, Lennon schleunigst wieder aus den Vereinigten Staaten zu vertreiben, die er nach der Auflösung seiner ersten Band zur Wahlheimat erkor. »Working Class Hero« sorgte im US-Establishment gleich zu Beginn von Lennons Amerika-Aufenthalt im Jahr 1971 für Kopfzerbrechen. Obwohl der Song bereits ein Jahr zuvor veröffentlicht worden war. Senatoren und Offizielle beschwerten sich über die Fäkalsprache und den subversiven, staatsfeindlichen Ton des Stücks. Die Radiosender spielten es trotzdem. Bis auf wenige Ausnahmen, die den staatlichen Boykottaufruf mittrugen.


Nur vier Monate nach »Working Class Hero«, im März 1971, erschien Johns Single »Power to the People«. Dicht gefolgt von seiner bekanntesten Friedenshymne – »Imagine« – im Oktober 1971. Damit war die inhaltliche Marschrichtung klar. Und der Ex-Beatle beim US-Establishment untendurch. Die amerikanischen Behörden ließen nichts unversucht, um den Einbürgerungsantrag des britischen Musikers zu torpedieren. Währenddessen avancierte »Imagine« zum erfolgreichsten Song seiner Solo-Karriere. Über 200 Künstler haben ihn bis heute neu interpretiert. Der Titel ist unter den 100 meistgespielten Songs aller Zeiten und wurde in der Liste der Songs des Jahrhunderts der »Recording Industry Association of America« (RIAA) auf Platz 30 gewählt. John Lennons Nachricht war nicht mehr aufzuhalten.


»Ideen brauchen keine Waffen, wenn sie die großen Massen überzeugen können.« (Fidel Castro)


Nach der Veröffentlichung seiner großen Hit-Single hatte John Lennon nur noch neun Jahre zu leben. Die erste Hälfte davon trank er viel, nahm Drogen und wusste nicht so recht wohin mit sich. Von 1975 bis 1980 kümmerte er sich primär um seinen Sohn Sean, das einzige Kind mit Yoko. Gefragt, was er seit Mitte der 70er gemacht habe, antwortete er in einem Interview: »Brot gebacken und nach dem Baby geschaut«. Und just als er, inspiriert von einem stürmischen Segelturn Richtung Bermuda, mit der Arbeit an neuen Songs begonnen hatte, sollte seine Geschichte ihr jähes wie dramatisches Ende finden. Vermutlich wurden ihm sein massenmobilisierender Pazifismus und die lautstarke Kritik am Vietnam-Krieg schlussendlich zum Verhängnis. Am 08. Dezember 1980, gegen elf Uhr nachts, wurde der damals 40-jährige Lennon vor dem Eingang des New Yorker Dakota Building erschossen.


Von Mark David Chapman, einem verwirrten Einzeltäter, so die offizielle Darstellung. Nach Lennons Kremation verstreute Yoko Ono seine Asche im naheliegenden Central Park. An der betreffenden Stelle befindet sich heutzutage das stets von Blumen, Briefen und Devotionalien übersäte Imagine-Memorial. Sein Mörder dagegen lebt. Und stellt in regelmäßigen Abständen Anträge auf Haftentlassung. 2020 wurde sein elfter Bewährungsantrag abgelehnt. Die nächste Anhörung findet im August 2022 statt. Vermutlich mit einem ähnlichen Ergebnis. Denn Yoko Ono legt alle zwei Jahre Widerspruch gegen das Gesuch ein.


Die vorherrschende Meinung zu Chapmans Tatmotiv war und ist, dass er geschossen hat, um berühmt zu werden – als Promi-Killer. Dieses Argument ist in Anbetracht von Chapmans Geständnis allerdings nicht wirklich stichhaltig. Denn hätte er Öffentlichkeit gesucht, wäre er dem Rat seines Anwalts gefolgt und in den vermutlich weltweit Aufsehen erregenden Strafprozess gegangen. TV-Berichterstattung zur Prime Time inklusive. Durch sein sofortiges Schuldeingeständnis fand jedoch kein Schauprozess statt. Chapman wanderte direkt ins Gefängnis. Auch bei Interviews und sonstigen Optionen, Aufmerksamkeit zu bekommen, hielt er sich generell zurück.


Während eines TV-Interviews mit Larry King im Jahr 1992, zwölf Jahre nach dem Mord, versuchte Chapman, seine Motive zu beschreiben, den Auslöser für die Tat einzugrenzen. Logisch wirkten seine Erklärungen nicht. Die Ratio für sein Handeln blieb diffus. Es entstand der Anschein, dass er selbst noch nach Antworten sucht. Oder nicht die ganze Geschichte erzählt – vielleicht nicht erzählen kann. Und dabei muss er nicht einmal lügen, wie Recherchen des US-Autors Phil Strongman zur Causa Mark David Chapman offenbaren.


In seinem 2010 veröffentlichten Buch »John Lennon: Life, Times and Assassination« untersucht er die offensichtlichen Widersprüchlichkeiten hinsichtlich des Tathergangs, die nebulöse Vergangenheit des mutmaßlichen Einzeltäters, seine Motivlage und vor allem die frappierenden Nachlässigkeiten der US-Behörden während der Ermittlungen zum Attentat. Strongman rückt exakt jene Fragen in den Fokus, die das FBI hätte stellen müssen, wären die USA tatsächlich an der Aufklärung des Gewaltverbrechens interessiert gewesen, jedoch tunlichst vermieden, aufzuwerfen.


Zum Beispiel: Wer ist Chapman, der »Niemand«, wie er sich selbst bezeichnet, aus einem Kaff in Georgia? Warum wird er gemeinhin als Lennon- und Beatles-Fanatiker dargestellt? In seiner Wohnung wurde kein einziger Tonträger, kein Buch, kein Zeitungsausschnitt oder sonstiges Material zu den Beatles gefunden. Was bewog Chapman an den Tagen vor dem Mord, von seinem Wohnort Hawaii nach New York zu fliegen – und was tat er während dem unterschlagenen, unnötigen Zwischenstopp am Flughafen von Chicago? Warum lebte Chapman überhaupt in Hawaii, in der Nähe eines Ausbildungscamps der CIA? Was genau tat er bei seinem Arbeitgeber World Vision International, einer 1950 gegründeten Organisation, der man nachsagt, eine von unzähligen CIA-Schattenfirmen zu sein? Warum war Chapman in Beirut, einer CIA-Hochburg während des Kalten Krieges?


Warum befanden sich alle Einschusslöcher auf der linken Seite von John Lennons Körper, wenn Mark David Chapman rechts hinter ihm stand, als er schoss? Wie konnte er so genau zielen, dass die Mediziner bei der Obduktion Mühe hatten, die fast übereinander liegenden Kugeln zu entfernen? Laut gerichtlichem Gutachten eine ballistische Meisterleistung – und für Nicht-Profis höchst unwahrscheinlich. Zumal aus dem falschen Winkel. Warum wurden bei den Untersuchungen Experten exkludiert, die von mehreren Schützen ausgingen?


Wieso hat niemand den zum Tatzeitpunkt diensthabenden Wachmann des Dakota Building – José Sanjenís Perdomo – genauer unter die Lupe genommen, obwohl dieser nachweislich für den amerikanischen Geheimdienst als Profikiller gearbeitet hatte und als Söldner für die Schweinebucht-Invasion in Kuba anheuerte? Wieso konnte Perdomo nach den Schüssen auf Lennon in Seelenruhe auf Chapman zugehen und ihm – völlig ohne Gegenwehr des Schützen – die geladene Waffe aus der Hand nehmen? Wäre die natürliche Reaktion in solch einem Moment des Schocks nicht, selbst im Wachhäuschen am Eingang des Dakota Building Deckung zu suchen, oder das Feuer auf Chapman zu erwidern? Aus welchem Grund hatte Perdomo keine Angst, dass Chapman die Waffe auf ihn richtet und abdrückt? Lag es daran, dass Perdomo und Chapman den ganzen Abend über allein vor dem Eingang des Dakota herumlungerten und über die Schweinebucht oder die Ermordung John F. Kennedys sprachen, bis Lennon um kurz vor 23:00 Uhr auftauchte?


»José Perdomo sagte der Polizei, Chapman sei Lennons Mörder. Einer der festnehmenden Beamten, Peter Cullen, glaubte nicht, dass Chapman Lennon erschossen hatte. Cullen glaubte, der Schütze sei ein Handwerker im Dakota, aber Perdomo überzeugte Cullen, dass es Chapman war.« (Latin News Agency, 08. Dezember 2018)


Darüber hinaus gilt stets das Imperativ des kriminalistischen Einmaleins: Follow the Money! Wie also finanzierte sich Chapman, der nie einen festen Job, ein gutes Einkommen oder so etwas wie eine Karriere hatte? Woher nahm der Mann mit Gelegenheitsjobs das Geld für seinen überdurchschnittlichen Lebenswandel? Wer kam für die sechs Wochen andauernde Weltreise auf, die Chapman im Jahr 1978 absolvierte – und was tat er in Tokyo, Seoul, Hong Kong, Singapur, Bangkok, Neu-Delhi, Genf, London, Paris und Dublin?

Die vielleicht wichtigste Frage: Warum stand Chapman nach den Schüssen auf Lennon wie paralysiert am Tatort herum? So, als sei er gerade aus einem Traum erwacht. Passanten und Streifenpolizei beschreiben sein Verhalten als das eines willenlosen Zombies. Orientierungslos und verwirrt – von sich selbst und seiner Umgebung. Wo war sein Fluchtreflex? Wieso lief er nicht weg? Und warum wurde Chapman keinem Drogentest unterzogen?


Wieso ignoriert man die Tatsache, dass Chapman von Stimmen in seinem Kopf spricht, die ihn vor den Schüssen vehement aufforderten, »es zu tun«? Dass er selbst beschreibt, sich an den Tatzeitpunkt wie an »zwei verschiedene Filme« zu erinnern – einen in den Minuten vor dem Abfeuern der Waffe, der ihn nervös machte, aufrührte, emotional korrumpierte; und einen nach dem Betätigen des Abzugs, den er als ruhig, leer, sinnlos und lähmend beschreibt? Chapman gab zu Protokoll, sich in den Minuten nach der Tat gefühlt zu haben, als sei er aus dem Tiefschlaf gerissen worden, aus einem Traum.


All diese Fragen wurden im Zuge der offiziellen Ermittlungen nicht geklärt. Entsprechende FBI-Akten sind bis zum heutigen Tage unter Verschluss. Top-Secret. Nationale Sicherheit und so. Das kennt man vom Mord an John F. Kennedy. Es bedarf angesichts der vorgängig angeführten Tatsachen jedoch nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, was tatsächlich am 08. Dezember 1980 in New York passierte. Vor allem dann, wenn man sich mit den verstörenden MKULTRA-, MKNAOMI-, MKOFTEN-, MKCHICKWIT-, CHATTER- oder ARTICHOKE-Programmen der US-Geheimdienste befasst hat.


Das Ziel dieser verachtenswerten Menschenversuche: Bewusstseinsmanipulation. Das Erschaffen von unterbewusst agierenden Killern, die aus dem Normalzustand heraus per Trigger-Signal aktiviert und zur Tat bewegt werden können. Die Methoden: LSD, Elektroschocks, Psycho-Folter, Schlafentzug, verbale und physische Gewalt. Wer annimmt, solche Ideen taugten lediglich als Material für einen netten Spionage-Streifen, irrt. Ein deklassifizierter CIA-Bericht aus dem Jahr 1975 konstatiert beispielsweise:


»Wenn die Hypnose erfolgreich war, können Attentäter geschaffen werden, um einen prominenten (..) Politiker oder, falls nötig, einen amerikanischen Beamten zu ermorden.«


Stephen Kinzer, der die geheimen CIA-Projekte seit langem untersucht, schrieb in seinem Buch »Poisoner in Chief«, das im September 2019 erschien:


»In den frühen 1950er Jahren richtete die CIA geheime Haftzentren ein, in den unter amerikanischer Kontrolle stehenden Gebieten in Europa und Ostasien. Hauptsächlich in Japan, Deutschland und den Philippinen. (…) Die CIA nahm Personen gefangen, die verdächtigt wurden, feindliche Agenten zu sein. Und andere Personen, die sie für entbehrlich hielt, um verschiedene Arten von Folter und Menschenversuchen an ihnen durchzuführen. Die Gefangenen wurden verhört, während ihnen psychoaktive Drogen verabreicht, Elektroschocks gesetzt, extreme Temperaturen zugemutet wurden. Sie wurden sensorischer Isolierung und dergleichen ausgesetzt, um ein besseres Verständnis dafür zu entwickeln, wie man den menschlichen Geist zerstört und kontrolliert.«


Auch David McGowan schildert in seinem Werk »Programmed to Kill« (2004) anhand zahlreicher Original-Quellen, wie US-Geheimdienste Schläfer heranzüchten. Wer also noch an die Mär glaubt, der Staat sei sein Freund, sollte diese Position jetzt vielleicht noch einmal überdenken. Denn die Liste unethischer Menschenexperimente ist lang. Viele davon waren erstaunlich erfolgreich, wenn man es so nennen möchte. Aber an der Spitze der Nahrungskette gibt es eben keine Skrupel. Da lernt man, beim Töten zu lächeln.


Genau das beschreibt John Lennon mit seiner letzten Zeile in »Working Class Hero« – »First you must learn how to smile as you kill«. So war Mark David Chapman vielleicht ein Manchurian Kandidat, oder nur der nützliche Idiot. Oder beides. In jedem Fall geben die Indizien allen Grund zur Annahme, dass es die US-Regierung ist, die den Beatles-Gründer auf dem Gewissen hat. Weil sie ihn mit juristischen Mitteln nicht aus dem Land schaffen konnte und zusehends Angst vor seiner Fähigkeit bekam, die Massen gegen das herrschende System aufzubringen. Friedlich, aber bestimmt. Mit Liebe, Humor und Kreativität.


Zum Schweigen gebracht hat sein Tod ihn glücklicherweise nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Denn John Winston Lennon wurde durch das Attentat unsterblicher, als er es als Mitglied der erfolgreichsten Band aller Zeiten ohnehin schon war. Kein Märtyrer – aber ein Held der Arbeiterklasse, dessen Ideen und Ideale die Zeiten überdauern werden. Imagine Peace.

 


Working Class Hero (J. Lennon, 1971)


As soon as you're born they make you feel small,

By giving you no time instead of it all,

Till the pain is so big you feel nothing at all.

A working class hero is something to be,

A working class hero is something to be.

 

They hurt you at home and they hit you at school,

They hate you if you're clever and they despise a fool,

Till you're so fucking crazy you can't follow their rules.

A working class hero is something to be,

A working class hero is something to be.

 

When they've tortured and scared you for twenty odd years,

Then they expect you to pick a career,

When you can't really function, you're so full of fear.

A working class hero is something to be,

A working class hero is something to be.

 

Keep you doped with religion and sex and TV,

And you think you're so clever and classless and free,

But you're still fucking peasants as far as I can see.

A working class hero is something to be,

A working class hero is something to be.

 

There's room at the top they are telling you still,

But first you must learn how to smile as you kill,

If you want to be like the folks on the hill.

A working class hero is something to be.

A working class hero is something to be.

 

If you want to be a hero well just follow me,

If you want to be a hero well just follow me



Deutsche Übersetzung (T. Regenauer)

 

Sobald Du geboren bist, sorgen sie dafür, dass Du Dich Euch klein fühlst,

Indem sie Dir keine Zeit geben, anstatt alle Zeit der Welt,

Bis der Schmerz so groß ist, dass Du gar nichts mehr fühlst.

Ein Held der Arbeiterklasse, ist etwas, das sich lohnt, zu sein.

Ein Held der Arbeiterklasse, ist etwas, das sich lohnt, zu sein.

 

Sie verletzen Dich zu Hause und schlagen Dich in der Schule,

Sie hassen Dich, wenn Du schlau bist, und verachten einen Dummkopf,

Bis Du so verdammt verrückt bist, bis Du ihren Regeln gar nicht mehr folgen kannst.

Ein Held der Arbeiterklasse, ist etwas, das sich lohnt, zu sein.

Ein Held der Arbeiterklasse, ist etwas, das sich lohnt, zu sein.

 

Wenn sie Dich für knapp zwanzig Jahre gequält und verängstigt haben,

Dann erwarten sie von Dir, dass Du einen Karriereweg wählst,

Obwohl Du gar nicht funktionieren kannst, Du bist so voller Angst.

Ein Held der Arbeiterklasse, ist etwas, das sich lohnt, zu sein.

Ein Held der Arbeiterklasse, ist etwas, das sich lohnt, zu sein.

 

Sie halten Dich betäubt mit Religion und Sex und TV,

Und Du denkst, Du bist verdammt schlau und klassenlos und frei,

Dabei seid ihr noch immer verfickte Leibeigene, soweit ich das sehen kann.

Ein Held der Arbeiterklasse, ist etwas, das sich lohnt, zu sein.

Ein Held der Arbeiterklasse, ist etwas, das sich lohnt, zu sein.

 

Da ist noch Platz an der Spitze, das erzählen sie Dir immer noch,

Aber zuerst musst Du lernen, zu lächeln, während Du tötest,

Wenn Du wie die Leute auf Capitol Hill sein willst.

Ein Held der Arbeiterklasse, ist etwas, das sich lohnt, zu sein.

Ein Held der Arbeiterklasse, ist etwas, das sich lohnt, zu sein.

 

Wenn Du ein Held sein willst, nun, dann folge einfach mir.

Wenn Du ein Held sein willst, nun, dann folge einfach mir.




Bild: Power Pop


von Tom-Oliver Regenauer 24. November 2024
John Brockmans Edge-Foundation galt als Treffpunkt für die Genies der Gegenwart. Ob Jeff Bezos, Sean Parker, Elon Musk oder Daniel Hillis – sie alle wohnten Veranstaltungen bei, die sie als Tech-Avantgarde darauf vorbereiten sollten, die Zukunft zu gestalten. Die »Dritte Kultur«. Doch was zunächst progressiv klingt, entpuppt sich auf den zweiten Blick rasch als Trainingslager für Technokraten. Finanziert von Jeffrey Epstein.
von Tom-Oliver Regenauer 15. November 2024
»Worte interessieren nur da, wo sie zu Taten führen«, notierte ich vor knapp 15 Jahren für einen meiner Texte. Gelten sollte diese Prämisse vor allem für Wahlversprechen. Doch die Geschichte zeigt, dass von den vollmundigen Zusicherungen eines Wahlkampfes nach Amtsantritt kaum etwas umgesetzt wird. Davon muss wohl auch in Bezug auf die US-Präsidentschaftswahl 2024 ausgegangen werden. Auch wenn viele immer noch auf eine »Trockenlegung des Sumpfes« hoffen. Ein Überblick.
von Tom-Oliver Regenauer 10. November 2024
Kognitive Kriegsführung und das letzte Gefecht der Spezies Mensch – mein Textbeitrag für die Erstausgabe der Vierteljahresschrift GEGENDRUCK. Verfasst im April 2024.
von Tom-Oliver Regenauer 27. Oktober 2024
»Wenn Wahlen etwas änderten, wären sie verboten«. Dieser Satz bringt die Gemüter vieler Menschen in Wallung. Denn sie klammern sich verbissen an den Glauben, das System durch die Abgabe von Stimmzetteln verändern zu können. Sie erkennen nicht, dass Demokratie als Herrschaftssystem darauf ausgelegt ist, exakt das nicht zuzulassen. Ein charismatischer Vortrag des amerikanischen Voluntaristen, Autors und Filmemachers Larken Rose veranschaulicht, warum. Eine adaptive Übersetzung.
von Tom-Oliver Regenauer 20. Oktober 2024
»30x30« – unter diesem Label vermarkten die Vereinten Nationen ihr Biodiversitätsziel. Danach sollen 30 Prozent des Planeten bis 2030 als Naturschutzgebiet ausgewiesen werden. Bei genauerer Betrachtung der organisatorischen Hintergründe erhärtet sich allerdings rasch der Verdacht, dass es den Akteuren nicht um Naturschutz geht, sondern um die Privatisierung – beziehungsweise Enteignung – planetarer Gemeinschaftsgüter.
Share by: