Tom-Oliver Regenauer | 21.04.2024
»Wege entstehen dadurch, dass man sie geht« – so einst Franz Kafka. Dass keiner der Weggefährten eine Alternativroute kennt oder ausgetretene Pfade verlassen möchte, sollte Abenteurer demnach nicht davon abbringen, neue Schneisen ins unübersichtliche Dickicht des lebensfeindlichen Labyrinths von Disruptionen, zu dem die menschliche Existenz derweil verkommen ist, zu schlagen. Schließlich herrscht zu keinem Zeitpunkt Gewissheit, was einen auf der nächsten Lichtung oder am Ende einer Exkursion erwartet – welcher Natur diese auch sein mag. Obgleich Vorurteile, Angelesenes und Berichte Dritter häufig eine gegenteilige Eigenwahrnehmung befördern.
Der erste Eindruck am Ziel ist gleichsam oft trügerischer Natur. Denn ob die Entscheidung, das angestammte Habitat zu verlassen, einen neuen Streckenabschnitt zu gehen, eine neue Scholle zu erschließen, langfristig als weise zu bewerten ist, zeigt sich schlussendlich erst auf der Zeitachse.
Zündfunke jeder Veränderung ist jedoch primär eines: Der erste und schwerste Schritt. Die Entscheidung. Diese habe ich selbst vor circa 13 Jahren getroffen. Relativ kurzfristig. Ich kehrte meiner Heimat den Rücken. Damit auch meiner Familie, meinen Freunden und meinem gewohnten Umfeld. Der Komfortzone. Zwar hatte ich zuvor bereits viel Zeit im Ausland verbracht, aufgrund privater Reisen oder Mandaten vor Ort, den Erstwohnsitz zu verlagern, ist aber selbstredend ein etwas komplexeres Unterfangen als mit übersichtlichem Administrationsaufwand ein paar Monate in Hotels oder Temporärappartements abzusteigen. Retrospektiv betrachtet, war es dennoch deutlich einfacher, als manch Zweifler mich im Vorfeld glauben machen wollte. Denn über mein selbst gewähltes Exil – die Schweiz – zirkuliert in Bezug auf das Thema Aus- und Einwandern allenthalben mehr Mythos als valide Information aus erster Hand.
»Die gefährlichste Weltanschauung ist die Weltanschauung der Leute, welche die Welt nicht angeschaut haben.« (Quelle: Unbekannt)
Nach knapp eineinhalb Jahrzehnten in der Alpenrepublik, mit Domizil in den Kantonen Bern, Zürich und Tessin sowie beruflichen Projekten im Rest der Schweiz, kann ich dahingehend hoffentlich ein wenig Abhilfe schaffen. Zunächst erscheint es mir jedoch sinnvoll, einen Kontext zu skizzieren und die Gründe für meinen Weggang aus Deutschland zu umreißen. Schließlich haben diese – im Gegensatz zu den mutmaßlich primären Beweggründen der krisengeschüttelten Leser des vorliegenden Werkes – nichts mit der deutschen Biosicherheitsdoktrin seit Proklamation der hausgemachten Corona-, Ukraine- oder Energiekrise zu tun. Mit der seit März 2020 eifrig propagierten »Zeitenwende« dagegen schon.
Je nachdem wo man den Initiationspunkt dieses oktroyierten Transformationsprozesses verortet – Diskurskontamination, Cancel Culture und »Woko Haram« haben sich schließlich nicht über Nacht etabliert –, waren Fluchtgedanken nämlich auch schon in den Jahren 2014, 2008, 2002, 2001 oder 1998 angebracht. Ältere Semester hätten gar mit Beginn der neoliberalen Privatisierungswelle in den 1970er-Jahren Reißaus nehmen können. Denn in diesem Zeitraum nahm der fiskalische Raubzug staatlich organisierter Kriminalität erst richtig Fahrt auf. Flankiert von einer Enteignungsspirale, die mit Gaskrise und Wutwinter in Dunkeldeutschland ungeahnte Ausmaße anzunehmen droht. Ja, der Status Quo des »New Normal« – einer inhumanen Gesellschaftsordnung nach dem Vorbild von Orwells »1984« und Huxleys »Schöne neue Welt« –, war längst antizipierbar.
»Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt.« (Jean-Claude Juncker, ehemaliger Präsident der Europäischen Kommission, DER SPIEGEL, 27. Dezember 1999)
Vor diesem Hintergrund »flüchtete« ich nach der Finanzkrise des Jahres 2008 vor wirtschaftlichem Niedergang, supranationaler Technokratie und korporatistischem Neofeudalismus. Und vor einer zum Superstaat avancierenden EU. Vor einem gesichtslosen Imperium. Einem bürokratischen Monstrum. Denn dessen mehr als absehbare Metamorphose, hin zum Überwachungsstaat nach chinesischem Vorbild, treibt mich bereits seit über zwei Jahrzehnten um. Bedauerlicherweise war der nihilistische Homo Consumens in den zurückliegenden Dekaden aber vornehmlich auf das fokussiert, was ihn zwischenzeitlich gänzlich zu definieren scheint – Konsum.
In dieser Geisteshaltung verfolgte die medial sedierte Gesellschaft auch systeminhärente Übergriffigkeit, ausufernden Zentralismus sowie die Krisen und Kriege unserer postfaktischen Ära. In Passivität und Lethargie. Als ginge es auf den seit der Einführung des Smartphones omnipräsenten Bildschirmen und Displays um einen zweitklassigen Thriller. Existentiell bedrohlich wirkten die zahlreichen Warnsignale offenbar auf die Wenigsten. Ob Hungersnöte, Naturkatastrophen, sozioökonomische Verwerfungen, Wirtschaftskriminalität, Korruption oder völkerrechtswidrige Militärinterventionen – derlei Unbill tangierte den wohlstandsverwahrlosten Wertewesten bislang nur peripher. Mit ein paar Alibi-Spenden an fadenscheinige NGOs (Non-Governmental Organisation) war das schlechte Gewissen besänftigt. Der schleichende Machtzuwachs des Staates schien ebenfalls nur Randgruppen zu enervieren. Das änderte sich im Laufe der vermeintlichen Pandemie. Denn die Hebel der Tyrannei setzten erstmals zu Hause an.
Manch gutgläubigem Wähler fiel es wie Schuppen von den Augen. Das von Aldous Huxley prophezeite, unsichtbare Gefängnis wurde durch das Infektionsregime plötzlich spürbar. Zumindest für jene, die sich weiterhin eigenverantwortlich bewegen wollten. Die anderen sind sich der Ketten, in die sie sich selbst gelegt haben, augenscheinlich bis heute nicht gewahr. Sie arrangieren sich mit der Umdeutung von Sprache, der Neubesetzung tradierter Werte sowie den zunehmend restriktiven Reglements im goldenen Käfig des digitalen Zeitalters. Entertainment und Soma halten sie gefügig.
Inflationäre Kulturhygiene, überhandnehmende Zensur oder die Tatsache, dass die virtuellen Echokammern hoheitlich goutierter Einheitsmeinungen immer eindimensionaler werden, hält Konformisten ebenfalls nicht davon ab, dem nackten Kaiser weiterhin mit Beifall zu huldigen. Sie wollen glauben. Sind dem klerikal aufgeladenen Kult einer radikalen Neuzeitsekte verfallen.
So ehrenhaft und loyal es manchem Häretiker anmuten mag, die Stellung in der Heimat auf Biegen und Brechen zu halten – so kräftezehrend und ineffizient gestaltet sich Widerstand, wenn das System diesem mit ermüdenden Grabenkämpfen und permanenter Gängelei die notwendigen Ressourcen raubt. In die Rolle eines Don Quijote sollte man sich nicht manövrieren lassen.
Darüber hinaus fordern sich Freiheitsdrang und Aktionismus nach meinem Dafürhalten fruchtlos heraus, wenn Opposition versucht, einem global konstituierten Digital-Totalitarismus mit Mitteln repräsentativer Demokratie auf nationaler Ebene Einhalt zu gebieten. Kein Parlament, keine Partei und keine Bürgerrechtsbewegung wird die Fassadendemokratie mit von selbiger zur Verfügung gestellten juristischen, organisatorischen oder kommunikativen Mitteln fundamental reformieren. Wenn Wahlen das könnten, wären sie verboten. Man kann das System nicht auf seinem eigenen Spielfeld, mittels von ihm selbst definierten Regeln und unter den Augen geschmierter Schiedsrichter bezwingen. Auch einen Selbstzerstörungsknopf oder Not-Aus-Schalter sucht man vergebens. Man muss das Spielfeld dysfunktionaler Organisationsstrukturen verlassen, um voranzukommen.
Das impliziert, dass man nicht zwingend in heimischen Gefilden ausharren muss, um wirksam zu sein. Au contraire. Aus einer Position der Stärke heraus, mit aufgeladenen Batterien, einem wachen Geist, Elan und einem gewissen Maß an finanzieller Autonomie kann sich intellektuelle Opposition deutlich schlagkräftiger entfalten. Und wenn man, wie in der Schweiz, nur wenige Autostunden von der alten Heimat entfernt lebt, ist Mitwirkung vor Ort ebenfalls jederzeit kurzfristig realisierbar, sollte physische Präsenz geboten sein.
Auf dem Gipfel der Corona-Krise, als auch in der liberalen Schweiz Pandemie-Maßnahmen eingeführt wurden, standen meine früheren Lebensmittelpunkte Mexiko, Südafrika, Rumänien, Portugal sowie eine Handvoll US-Bundesstaaten für einen neuerlichen Umzug zur Debatte. Zweifel an der zehn Jahre zuvor getroffenen Entscheidung griffen Raum. Wie weit wird die Schweiz bei Corona gehen?
Doch nach einiger Zeit – und temporären Aufenthalten in Südamerika – stellte sich heraus, dass mein damaliger Impuls nicht ganz falsch war. Die Alpenrepublik handhabte Corona anders als der Rest der Welt. Vergleichbar mit Schweden. Es wurde nicht nötig, ad hoc die Zeitzone zu wechseln. Schon der Sommer 2021 fühlte sich am Zürichsee wieder fast wie 2019 an. Restaurants, Läden, Fitnessstudios und Hotels waren offen und gut besucht, Zertifikate nicht von Nöten. In der Stadt tobte das Leben.
Ein Jahrzehnt früher erschien mir der Weg über die Grenze bei Basel schlicht als pragmatischste Lösung. Die Eidgenossenschaft erfüllte meine priorisierten Kriterien: Die Familie in der Heimat ist schnell und ohne Flug erreichbar, das Land ist nicht Teil des EU-Apparates, die Steuerlast ist gering, der Staat schlank, und wer arbeitet, verdient in der Regel genug, um am Monatsende noch etwas übrig zu haben. Das war in Deutschland zuvor nie der Fall. Trotz Leitungsfunktion in einem Großkonzern und Verantwortung für mehr als 20 Mitarbeiter.
Zum Vergleich: Die Steuerbelastung eines kinderlosen Arbeitnehmers mit einem Bruttogehalt von 80.000 Franken liegt, je nach Kanton, zwischen fünf und achtzehn Prozent. Inklusive Sozialabgaben, sonstiger Gebühren und obligatorischer Krankenversicherung, die hier grundsätzlich privat zu tragen ist, belaufen sich die Gesamtabzüge vom Bruttolohn im Schnitt auf 25 bis 35 Prozent. Abhängig von Art und Höhe des Einkommens, kantonalen und gemeindespezifischen Steuerfüßen sowie dem gewünschten Deckungsumfang der individuell zu gestaltenden Versicherungen. Ergo, es bleibt recht viel übrig.
Steuern werden nicht direkt vom Salär abgezogen, sobald man fünf Jahre hier gelebt und gearbeitet hat. Dies ist nur zu Beginn der Fall, mit einer B-Bewilligung. Nach Ablauf der Fünfjahresfrist besteht die Möglichkeit, eine C-Bewilligung zu beantragen. Ist man im Besitz derselben, erhält man die Steuerrechnungen fortan kumuliert am Jahresende und kann mit dem Geld im Vorfeld Rendite generieren. Immer direkt einbehalten werden lediglich AHV und ALV, die Sozial- und Arbeitslosenversicherung. Bei einem Bruttogehalt von 5.000 Schweizer Franken im Monat entspräche das etwa 450 Franken.
Zudem – und mittlerweile vermutlich am wichtigsten – die Schweiz ist die einzige direkte Demokratie der Welt. Verfassung, Föderalismus, liberale Lebenseinstellung, Eigenverantwortung und dezentrale Strukturen sind die DNA des Schweizer Selbstverständnisses. Das hat sich speziell im Zuge der Corona-Krise als elementarer Vorteil herauskristallisiert.
Bedauerlicherweise waren aber auch in der Schweiz verschiedene Kräfte in den letzten Jahrzehnten verstärkt darum bemüht, föderale Strukturen zu unterminieren, um die Rolle des Souveräns nachhaltig zu schwächen. Bis anhin hält das basisdemokratische Bollwerk dem Beschuss aber noch in veritabler Manier Stand. Des Weiteren engagieren sich Bürgerrechtsgruppen wie das Aktionsbündnis Urkantone, Mass-Voll oder die Freunde der Verfassung für die Stärkung der Demokratie im Land.
Daran konnte auch der Viren-Wahn der vergangenen zweieinhalb Jahre nur wenig ändern. Zwar unterschied sich die Berichterstattung der Leitmedien kaum von jener in Deutschland – Panikmache, Propaganda-Postulate, Pharma-Marketing und Nudging-Elaborate gab es hierzulande ebenfalls en masse –, aber ein Durchregieren auf Bundesebene ist aufgrund der föderalen Strukturen schlicht unmöglich. So bleibt es bei Empfehlungen der Regierung in Bern an die Kantone. Diese reagieren darauf sehr unterschiedlich und autonom. So durfte zum Beispiel der von Bern auf landesweite Tour geschickte »Impfbus« in manch einer Gemeinde nicht Station machen, weil Gemeinderat und -präsident gegen die Kampagne votierten.
Weiterhin sorgte die vorgängig erwähnte Schweizer DNA dafür, dass drakonische Maßnahmen wie Ausgangssperren nicht einmal diskutiert wurden. Man appellierte grundsätzlich eher an Eigenverantwortung und Gemeinschaftssinn der Eidgenossen. Die Ansprache kritischer Stimmen blieb zumeist innerhalb der Respektsgrenzen. Statt von »Corona-Leugnern« sprach der Mainstream von »Maßnahmen-Kritikern« und »Impf-Skeptikern«. Immerhin. Hässliche Szenen von brutaler Polizeigewalt gegenüber friedlichen Demonstranten gab es im Gegensatz zu Deutschland kaum.
Unter Umständen hält sich der Staat auch zurück, weil die Armee der Schweiz als Milizsystem organisiert ist und der Hang zu privatem Waffenbesitz, im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung, prozentual sogar stärker ausgeprägt ist als in den USA.
Nun war in Bezug auf Covid-19 aber auch hier nicht alles Gold, was glänzt. Die Schweiz ist beileibe kein gallisches Dorf. Auch in der Alpenrepublik gab es zeitweise Kapazitätsbeschränkungen für Veranstaltungen oder Schließungen in Gastronomie und Handel, Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln, Home-Office, ein Covid-Gesetz und das 3G-Zertifikat samt Smartphone-App. Bei einer Großdemonstration in Bern feuerte die Einsatzpolizei mehrere Gummigeschosse ab. Und auch der ein oder andere renitente Maskenmuffel wurde unsanft niedergerungen. Insgesamt blieben das aber Einzelfälle. Die Strenge des Covid-Regimes war stark abhängig vom jeweiligen Kanton. Bilder ähnlich willkürlicher Polizeigewalt, unverhältnismäßiger Brutalität und Despotie gegenüber friedlichen Bürgern wie man sie aus Berlin sah, gab es aus der Schweiz meines Wissens jedenfalls keine. Und auch die beiden kurzen Winter-Lockdowns waren in keinster Weise mit jenen in der Bundesrepublik vergleichbar.
Das Lebensgefühl in der Schweiz während der Corona-Krise unterschied sich von dem in Deutschland wie Tag und Nacht. Beruflich bedingt war ich auch während der exzessivsten Lockdown-Phasen praktisch jede Woche dies- und jenseits der Grenzen unterwegs. Oft mehrmals. Streckenweise war mein Fahrzeug der einzige PKW auf der gesamten Autobahn. Und ich kann mich gut daran erinnern, noch nie zuvor derart froh darüber gewesen zu sein, nicht mehr in der alten Heimat leben zu müssen.
Nach einem kurzen Revival des Covid-Narratives im Winter 2021/2022 verkündete die Schweizer Regierung im März 2022 die vollumfängliche Aufhebung aller antiviralen Maßnahmen. Das »Bundesamt für Gesundheit« (BAG) empfahl den Bürgern, die hiesige Covid-App nunmehr vom Smartphone zu deinstallieren. Bis auf den ein oder anderen Passanten mit Maske, zumeist Senioren, erinnert im Stadtbild fast nichts mehr an die angebliche »Jahrhundert-Pandemie«. Das war’s.
Alain Berset, der seit 2012 dem »Eidgenössischen Department des Innern« (EDI) vorsteht, gab am 25. August 2022 via Twitter bekannt, dass potenzielle Covid-Wellen im Herbst/Winter 2022/2023 im Rahmen der »ordentlichen Strukturen bewältigt werden können«. Sprich: Kein Ausnahmezustand mehr, keine Maßnahmen und keine Gängelung der Bevölkerung nach chinesischem Vorbild. Dies, während in Deutschland das Hashtag »Maskengate« in den Social-Media-Trends die Runde macht und die Regierung mit der aktuellen Revision des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) neue antidemokratische Übergriffigkeiten für das Spätjahr plant.
Dafür ist jetzt auch in der Schweiz – wie überall – der Ukraine-Konflikt Thema der Stunde. Die Solidaritätsbekundungen mit dem korrupten wie faschistoiden Regime in Kiew reißen auch in Bern kaum ab. Ungeachtet der Tatsache, dass es sich bei diesem Spiel mit dem Feuer an Russlands Außengrenzen um einen von langer Hand vorbereiteten Stellvertreterkrieg der Vereinigten Staaten gegen den ewigen Klassenfeind im Osten handelt.
So unterstützt die ansonsten stoisch neutrale Schweiz derzeit – zumindest partiell – den Kurs der NATO-Hegemonie – auch wenn der eine oder andere Bundesrat das verdeckte Durchsetzen der »Pax Americana« in der Ukraine seit 2014 öffentlichkeitswirksam durchschaut, manch eine Munitions- oder Waffenlieferung durch Bern blockiert wurde, russische Medien hier nicht zensiert werden und Supermärkte weiterhin russischen Vodka im Sortiment führen.
»Um die Lügen der Gegenwart durchzusetzen, ist es notwendig, die Wahrheiten der Vergangenheit auszulöschen.« (Eric Arthur Blair alias George Orwell, 1903 - 1950)
Preissteigerungen bei Benzin und Gas gab es in Folge der Sanktionen auch hierzulande. Allerdings fielen diese weniger drastisch aus als bei den deutschen Nachbarn. Und eine Gasumlage steht auch nicht zur Debatte.
Die Narrative des »Great Reset« werden dennoch auch am Alpenrand bespielt. Ob Covid-19, Putin, Klima-Apokalypse, Flüchtlingskrise, Totaldigitalisierung, Genderwahn oder Transhumanismus. Alles da. Das »Nudging« ist jedoch ungleich sanfter als unter den dunkelgrünen Dogmatikern in Berlin. Und viele »woke« Luftschlösser bleiben hier Makulatur. Die öffentlichen Diskurse dazu Alibi-Engagements. Denn der Konservatismus sitzt tief. So hat der Schweizer Bundesrat Ende August 2022 das Gendersternchen in jeglicher Behördenkommunikation verboten. Analog zum EU-Sanktionsregime gegen Russland – Bern macht ein bisschen mit, um international nicht aus der Reihe zu tanzen, aber nie so weit, dass der Haussegen irreparabel schief hängt.
Vor dem Einfluss internationaler Deutungseliten ist man trotzdem nicht ganz gefeit. Vor einer digitalen Zentralbankwährung (Central Bank Digital Currency, CBDC) ebenso wenig. Denn auch wenn die Schweizer Nationalbank (SNB) auf ihrer Homepage angibt, einem digitalen Franken kritisch gegenüberzustehen, arbeitet sie seit mindestens 2020 gemeinsam mit dem mächtigsten Finanzinstitut der Welt, der »Bank für Internationalen Zahlungsausgleich« (BIZ) – der Zentralbank der Zentralbanken in Basel – an Projekt Helvetia, einem »Proof of Concept« für digitales Geld und auf Blockchain-Technologie basierenden Zahlungsverkehr.
Kontrastierend verfügt die Schweiz neben dem Franken über eine Komplementärwährung, genannt WIR, herausgegeben von einer 1934 gegründeten Genossenschaftsbank. Ins Leben gerufen wurde die an den Franken gekoppelte Zweitwährung im Zuge der Weltwirtschaftskrise der späten 1920er- und frühen 1930er-Jahre von der Wirtschaftsring-Genossenschaft. Bis heute beteiligen sich schweizweit über 50.000 Unternehmen an der Alternative zum Staatsgeld und bilden damit einen zusätzlichen monetären Schutzwall, der negative Entwicklungen an den Finanzmärkten für die Marktteilnehmer im Lande abfedern könnte.
Zusätzlich existieren ganze acht Regionalwährungen in der Eidgenossenschaft. Auch der Handel mit Gold und sonstigen Edelmetallen floriert. Bis zu 15.000 Franken monatlich können bei Onlinegeschäften anonym in physische Alternativen zu Bargeld investiert werden. Bei sogenannten Tafelgeschäften existieren keine Obergrenzen. Wer eine Million flüssig machen kann, bekommt im Gegenwert Goldbarren, ohne offiziell erfasst zu werden. Und selten war die Nachfrage nach Gold (und Handfeuerwaffen) so groß, wie seit Beginn der Corona-Krise.
Zusätzlich baut die Schweiz Versorgungsengpässen durch extrem hohe Lagerbestände an Lebensmitteln, Medikamenten und Öl vor. Auch Luftschutzbunker gibt es hier wie Sand am Meer. Insgesamt stehen circa 8,6 Millionen Schutzplätze in 360.000 Personenschutzräumen und 1.700 Schutzanlagen für die Bevölkerung zur Verfügung. Bis 2012 bestand für private Hausbauten eine Schutzraumpflicht. Sprich, wer einen Neubau plante, musste einen Bunker installieren. Vor zehn Jahren wurde diese Vorschrift gelockert. Neu müssen nur noch Wohnanlagen, die mehr als 38 Zimmer umfassen, einen Luftschutzraum vorhalten. Schweizer Straßentunnel fungieren im Ernstfall ebenfalls häufig als Bunkeranlagen. Manch eine Autobahn-Röhre bietet Tausenden von Menschen Platz und ist mit der Logistik einer Kleinstadt ausgestattet.
Dass die im Jahr 1291 auf der Rütli-Wiese gegründete Eidgenossenschaft bestens auf Katastrophen aller Art vorbereitet ist, unterstreicht der Fakt, dass das Land zwei Weltkriege weitgehend unbeschadet überstanden hat. Man geht auf Nummer sicher in Heidiland.
Das ist kaum verwunderlich. Unterhalten doch die meisten für die Neuordnung der Welt verantwortlichen Entitäten, wenn nicht ihren Hauptsitz, so doch zumindest eine größere Dependance in Genf, Zürich oder Basel. Weltgesundheitsorganisation (WHO), Weltwirtschaftsforum (WEF), Globale Allianz für Vakzine und Immunisierung (GAVI), Vereinte Nationen (UN) oder Interparlamentarische Union (IPU) – um nur einige zu nennen. Neben berüchtigten Banken wie UBS, Credit Suisse, HSBC oder Bank Julius Bär haben selbstverständlich auch so illustre Unternehmen wie Google, Glencore, Astra Zeneca oder die FIFA hier eine wichtige Niederlassung. Und in Genf sind stolze 750 Nichtregierungsorganisationen tätig. In nur einer Stadt.
Historisch betrachtet war die Schweiz durch ihre strikte Neutralität stets ein sicherer Hafen für die Vermögen von Hochfinanz, Konzernoligarchie und halbseidenen Figuren. Auch in turbulenten Zeiten. Dem Bankgeheimnis sei Dank. Immerhin wohnt global betrachtet jeder zehnte Milliardär in der beschaulichen Alpenrepublik. 210.700 im Land lebende Personen weisen ein Anlagevermögen von über einer Million aus, wie swissinfo im Jahr 2010 dokumentiert. Elf Jahre später, am 04. Oktober 2021, berichtet Nau.ch, dass man ab einem Vermögen von 4,7 Millionen Franken zum reichsten Prozent gehöre. Das sind 86.000 Personen bei etwa 8,2 Millionen Einwohnern. Ab 15,4 Millionen Franken gehört man dann zum reichsten Promille der Schweiz. Die Folge: Gerade einmal drei Prozent der in der Schweiz lebenden Menschen versteuern gleich viel Einkommen wie die restlichen 97 Prozent.
Wer in der Schweiz zur Elite zählen möchte, sollte über etwa 30 Millionen Franken auf der hohen Kante verfügen. Unterhalb dieses Betrages ist man bei den exklusiven Privatbanken kein gern gesehener Gast. Ab 100 Millionen Schweizer Franken darf man sich endlich zu den Superreichen zählen. Nur in einem Land der Welt ist die Schwelle, um zum reichsten Hundertstel der Bevölkerung zu gehören, höher als in der Schweiz: Monaco.
Aus dieser Perspektive betrachtet, zieht die Postkartenidylle des 41.285 km² Fläche umfassenden Landes auch viel Negatives an. Dunkle Flecken gibt es zuhauf in der Geschichte der Eidgenossenschaft. Zuvorderst wohl die Zusammenarbeit mit dem NS-Regime vor und während des Zweiten Weltkrieges. Hitlers Liquidität war nämlich maßgeblich abhängig von den Gold-, Devisen- und Finanztricksereien mit dem kleinen Nachbarland. Denn bis zum offiziellen Kriegseintritt der USA kam das meiste Kapital der Nazi-Diktatur von den Bankiers der Wall Street in New York. Namentlich zum Beispiel von Prescott Bush, dem Vater des ehemaligen US-Präsidenten George H. W. Bush, der seinerzeit im Vorstand der »Union Banking Corporation« (UBC) tätig war. Bis heute sollen Tonnen von nicht abgeholtem Nazi-Gold in Zürcher Tresoren schlummern.
Selbst Hitlers Rassengesetze stammen indirekt aus der Schweiz. Sie wurden von Ernst Rüdin (1874 – 1952), einem Schweizer Psychiater verfasst. Im Jahr 1934 fand in Zürich gar noch das vorletzte offizielle Treffen der internationalen Eugenik-Gesellschaft statt, deren Vorsitzender Rüdin war. Und ein anderer skrupelloser Diktator – Kim Jong-un – ging jahrelang in Zürich zur Schule.
Groteskerweise sind exakt diese haarsträubenden Umstände einer der Gründe dafür, dass man in der Schweiz auch in dunklen Phasen der Geschichte relativ unbehelligt leben kann. Denn wie das Sprichwort besagt: »Der Hund macht sich nicht ins eigene Körbchen«. So ist auch das Interesse der ansässigen Eliten an chaotischen Zuständen vor der eigenen Haustüre eher gering. Geschätzt werden neben den malerischen Landschaften, Alpenpanoramen, pittoresken Städten und einer einzigartigen Infrastruktur, vor allem Diskretion, Ruhe, öffentliche Ordnung, Sicherheit, die vornehme Zurückhaltung der Schweizer sowie unzählige Möglichkeiten, viel Geld für dekadenten Luxus auszugeben. Da stören Einschränkungen aller Art und drakonische Pandemie-Maßnahmen ebenso wie Volksaufstand und ein in den Straßen marodierender Lynchmob. Die Schweiz führt nicht umsonst regelmäßig die Rangliste der Länder mit der höchsten Lebensqualität weltweit an.
Ob es moralisch verwerflich ist, sich in das Auge des Sturms zu flüchten, ins Hauptquartier des Bösen, lässt sich diskutieren. Ich argumentiere an dieser Stelle mit Selbsterhaltungstrieb und den eingangs erwähnten Ressourcen, die Opposition benötigt, um keinem permanenten »Uphill Battle« ausgesetzt zu sein.
»Der Faschismus sollte Korporatismus heißen, weil er die perfekte Verschmelzung der Macht von Regierung und Konzernen ist.« (Benito Mussolini, ehem. Diktator Italiens, 1883 - 1945)
Die Tatsache, dass die idyllische Alpen-Oase mit ihren vier Amtssprachen ein Mekka für die internationalen Finanzeliten ist, gereicht so paradoxerweise auch dem Normalbürger zum Vorteil. Ob Super Class, Banken-Konglomerate, Politprominenz, CEOs, Big Pharma, VIPs, Globalisten, Imperialisten, Despoten jeglicher Couleur oder Granden der organisierten Kriminalität – sie alle haben Geld im Bankenparadies geparkt, ihren Wohnsitz, ein Ferienhaus oder ihr Unternehmen vor Ort registriert, und bilden damit eine Art Schutzschicht gegen allzu unwirsche Zustände am Fuße der Alpen.
Nun definieren die paar Prozent am oberen Ende der Nahrungskette selbstredend nicht das alltägliche Lebensgefühl in den Kantonen. Denn auch wenn es hier keine »Gated Communities« oder speziell gesicherte Wohnareale für die Reichen und Schönen gibt, fristen diese ihr Dasein gerne unter sich. In von Kirschlorbeer, Bäumen und Hecken umwucherten Villen, auf abgelegenen Großgrundstücken am Seeufer, Waldrand oder in den Bergen. Das urbane oder ländliche, kulturelle sowie soziale Zusammenleben gestaltet jene überwältigende Mehrheit der Bevölkerung, die schlicht das friedliche, respektvolle und liberale Miteinander schätzt.
So machen vor allem die Einheimischen die Schweiz zu einem lebens- und liebenswerten Ort. Egal ob in der Nachbarschaft, der Gemeinde oder im Einzelhandel, bei der Polizeikontrolle, dem Migrationsamt, der Steuerbehörde oder dem Straßenverkehrsamt – ich wurde hier noch nie schroff, pampig, respektlos oder von oben herab behandelt, wie dies in der alten Heimat oft der Fall war. Von der grassierenden Inkompetenz in Deutschland mal ganz abgesehen. Hier funktionieren die Dinge einfach. Und zwar alle.
Meinen ersten Ausländerausweis hatte ich nach weniger als zehn Minuten bei der entsprechenden Behörde in der Hand. Um meinen deutschen Führerschein in einen Schweizer Führerausweis umwandeln zu lassen, habe ich ebenfalls kaum mehr als fünf Minuten gebraucht. Gleiches gilt für die Immatrikulation eines neuen Fahrzeugs. Und wenn man bei der Finanzdirektion anruft, um sich bezüglich seiner Steuerrechnung zu erkundigen, geht tatsächlich die Person ans Telefon, die auf dem Briefkopf der Faktura genannt ist – und kann darüber hinaus binnen Minuten alle Fragen zum individuellen Fall beantworten. Ich kann mich nicht erinnern, irgendwo mehr als einmal vorstellig geworden zu sein – egal ob persönlich, am Telefon oder via E-Mail – um ein administratives Anliegen zu klären. Die Verwaltung arbeitet effizient und effektiv wie nirgends und vermittelt einem durchweg das Gefühl, im Dienste der steuerzahlenden Bürger zu stehen.
Positiv hervorzuheben ist in der Schweiz auch die qualitativ hochwertige Nahrungsmittelversorgung. Aufgrund der traditionell starken Landwirtschaft sowie strikter Import-Gesetze stammt ein Großteil der Frischwaren in Lebensmitteleinzelhandel und Supermärkten aus regionaler Produktion. Fleisch ist teuer in der Schweiz, das ist korrekt. 1-Euro-Salami, Billig- oder Gammelfleisch aus Mastfabriken gibt es nicht. Ja, für ein Steak zahlt man deswegen im Coop oder Migros, den zwei dominierenden Discountern vor Ort, knapp zehn Franken. Im Restaurant zwischen 40 und 50. Dafür ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass das Tier ein vergleichsweise schönes Leben hatte. Das kann ein jeder bezeugen, der frühmorgens mit dem Auto durch die rurale Schweiz fährt und dabei Dörfer, Wiesen und Weiden passiert, auf denen lebensfrohe Kühe, Kälber, Ziegen, Esel oder Hühner zum Morgenspaziergang ausrücken.
Sinnbildlich dafür steht das Erzeugerlabel BIO SUISSE. Um es verwenden zu können, darf das Produkt nicht auf dem Luftweg transportiert werden. Antibiotika, Zusatzstoffe, Aromen oder gentechnisch verändertes Futtermittel sind tabu. Weiterhin ist zum Beispiel die freie Weidehaltung von Milchkühen zu garantieren. Ebenso der Erhalt der biologischen Vielfalt auf den Betriebs- und Grünflächen des Erzeugers. Allesamt Kriterien, die für das EU-Pendant EU-Bio nicht vorgeschrieben sind, was es zu einer Farce, einem Feigenblatt-Emblem macht, das mit Tierwohl nichts zu tun hat.
Den dezentralen agrarpolitischen Ansatz der Eidgenossenschaft belegt gleichsam der Umstand, dass selbstständige Bauern ihre Waren in kleinen Kontingenten bei Supermärkten ihres Einzugsgebiets anbieten können – und diese im Sortiment den gleichen Stellenwert genießen, wie etablierte Handelsmarken. Versuchen Sie als deutscher Landwirt mal, einer Aldi-Filiale 50 Kilogramm Käse anzubieten.
Überall in der Schweiz besteht die Möglichkeit, direkt beim Erzeuger einzukaufen. Landwirte, Kleinproduzenten, Käsereien, Weingüter und Schlachtbetriebe der Region finden sich auf entsprechenden Internetportalen. Bei Hoflädeli.ch lassen sich beispielsweise die Adress- und Kontaktdaten von privat geführten Höfen in der näheren Umgebung samt angebotenem Sortiment ausfindig machen. So konsumiert man als Kunde bei sorgfältiger Auswahl kaum noch Waren, die mehr als 25 Kilometer entfernt produziert wurden.
Löblich ist auch die saisonale Ausrichtung der hiesigen Supermärkte, die im Vergleich mit deutschen Discountern regelmäßig wie Feinkostläden anmuten. Gemüse wird dann offeriert, wenn es geerntet wird. Wer im Hochsommer nach Rosenkohl sucht, hat Pech.
So positiv das klingt, auch in der Schweiz steht der Bauernstand unter Druck. Man sieht sich ähnlichen Problemen ausgesetzt wie die Landwirte der EU-Mitgliedsstaaten und hat mit der Supranational-Agenda symbolpolitischer Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDG) zu kämpfen. Mit grün-verblendeter Ideologie und Kontrollwahn. Um derartig evidenzlosen Aktivismus geht es auch bei der »Initiative gegen Massentierhaltung«, welche im September 2022 zur Volksabstimmung ansteht. Denn der Tierwohl verheißende Titel des Begehrens täuscht. Der Schweizer Bauernverband unterstützt die Initiative nicht und wirbt für ein klares Nein an der Urne. Eine Annahme der Initiative schade den Landwirten, wäre kontraproduktiv und sorge in Konsequenz lediglich für höhere Preise und mehr Importe.
Verfassungsrechtlich scheint die Schweiz fürs Erste dennoch gewappnet, der anhaltenden globalistischen Machtübernahme standzuhalten. Sinnbildlich dafür: Die Verhandlungen mit Brüssel über ein EU-Rahmenabkommen, die bereits 2008 initiiert wurden und bei Annahme des autokratischen Vertragswerkes dafür gesorgt hätten, dass der europäische Gerichtshof über der lokalen Gerichtsbarkeit steht. Da die Schweizer Regierung sich nicht weiter erpressen lassen wollte, brach sie die Verhandlungen im Jahr 2021, nach über zehn Jahren, wortkarg ab.
Bis auf Weiteres ist auch nicht damit zu rechnen, dass diese wieder aufgenommen werden. Denn dem bürokratischen Monster in Brüssel stehen die Schweizer generell skeptisch gegenüber. Eine für die Annahme eines derartigen Rahmenabkommens zwingend benötigte Volksabstimmung würde »Bundesbern«, wie die Regierung oft etwas despektierlich betitelt wird, vermutlich eine krachende Niederlage bescheren. Nachteile hat diese Aversion gegen Einflussnahme aus Brüssel dem Alpenstaat keine gebracht. Auch wenn nach Abbruch der Konsultationen mit der EU-Kommission vor allem Grüne und Sozialdemokraten hierzulande entsprechende Schreckensszenarien an die Wand malten.
Die Schweiz hat ein sogenanntes Milizparlament, das aus zwei Kammern besteht. Dem Nationalrat mit 200 Abgeordneten und dem Ständerat mit 46 Mitgliedern. Zusammen bilden sie die Bundesversammlung, in der die National- und Ständeräte ihre Mandate nebenberuflich ausüben. Zumindest offiziell. Ein krasser Gegensatz zum Deutschen Bundestag, einem XXL-Parlament mit 736 gut bezahlten Berufsopportunisten. Die eigentliche Regierung der helvetischen Konföderation bildet der Bundesrat, der vom Parlament gewählt wird und aus sieben gleichberechtigten Mitgliedern besteht, die den Ministerien der Bundesverwaltung vorstehen. Einen Bundeskanzler gibt es nicht.
Insgesamt ein schlanker Staatsapparat, der den 26 Kantonen ein beträchtliches Maß an Autonomie zugesteht. In den sogenannten Urkantonen – Uri, Schwyz und Unterwalden – hält man bis heute am Konzept der Landsgemeinde fest, eine frühe Form von direkter Demokratie, bei der die stimmberechtigten Bürger sich an tradierten Versammlungsorten zusammenfinden, um in öffentlicher Abstimmung per Handzeichen über die Geschicke ihres Wohnortes zu entscheiden.
In vielen repräsentativen Demokratien kämpfen Menschen seit Jahrzehnten um ein derartiges Maß an Mitbestimmung, fordern mehr Elemente direkter Demokratie von ihren Regierungen. Mit mäßigem Erfolg. Vor allem in Deutschland scheuen Spitzenpolitiker das Thema wie der Teufel das Weihwasser. Geradezu verpönt scheint der Gedanke, dem Souverän mehr Rechte einzuräumen. Und wagt man es in der besten Bundesrepublik aller Zeiten, über den Weg zu einer echten Verfassung sprechen zu wollen, die das als Provisorium gedachte Grundgesetz ablöst, kann man darauf zählen, zeitnah dem rechten politischen Spektrum zugeordnet und als »Reichsbürger« oder Nazi diffamiert zu werden.
Dabei sind insbesondere Volksabstimmungen und basisdemokratische Organisationsformen wie die Landsgemeinde charakteristisch für eine wahr- und wehrhafte Demokratie, in der der Volkswille über korporatistischen Traktanden supranationaler Akteure steht. Umso bedauerlicher erscheint der Umstand, dass die Stimmbeteiligung bei Volksabstimmungen seit 1990 selten über 50 Prozent lag. Bei bestimmten Gesetzesvorlagen, vor allem solchen, die in der Öffentlichkeit massiv polarisierten, fanden sich mehr Stimmberechtigte an den Urnen ein. So zum Beispiel im Jahr 2020, als es um die »maßvolle Zuwanderung« ging. Oder auch im Juni 2021, als die Schweiz über das hiesige Covid-19-Gesetz abstimmte und 59,6 Prozent der zur Abstimmung zugelassenen Bevölkerung ihren Stimmzettel ausfüllten.
Dem Umstand, dass die Einzigartigkeit der föderalen Struktur hierzulande einzigartig ist, sind sich wohl die meisten Eidgenossen bewusst. Das Bewusstsein, dass diese durch informierte Partizipation zu schützen ist, könnte beim Souverän allerdings ausgeprägter sein. So sind auch die sinnvollsten Referenden nicht immer vom Erfolg freiheitlicher Grundwerte gekrönt.
Daher wurden auch das umstrittene Anti-Terror-Gesetz oder das freiheitsfeindliche Covid-Gesetz bei der Abstimmung im Juni 2021 vom Stimmvolk angenommen – und räumten der Regierung in Konsequenz Sonderrechte ein, wie man sie hierzulande seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gesehen hat. Selbst ein neuerliches, von Bürgerrechtlern angestrengtes Referendum gegen dieses fatale erste Votum für ein unverhältnismäßiges Gesetz, verhalf der Vernunft bei der zweiten Wahl am 28. November 2021 nicht zum Erfolg. Schlussendlich wurde das kontroverse und für die hiesige Legislative untypische Pandemie-Gesetz ratifiziert. Zumindest wird es aber nicht, wie in Deutschland, ständig verlängert und verschärft, sondern läuft nach jüngstem Kenntnisstand mit Ende der Befristung aus.
Auf der anderen Seite gilt festzuhalten, dass jeweils über 40 Prozent der Schweizer Gesamtbevölkerung gegen das Notstandsreglement aus Bern votierten. In manch konservativem Kanton mehr als die Hälfte. Und in der Alterskohorte der unter 35-jährigen wäre das Gesetz gar abgelehnt worden. Senioren und Boomer-Generation fungierten in der Masse als Zünglein an der Waage. Davon unbeeindruckt wird derzeit ein weiteres Referendum auf den Weg gebracht, um das Covid-Gesetz ein für alle Mal zu beerdigen. Denn noch existiert es, auch wenn es nach derzeitigem Kenntnisstand nicht mehr zur Anwendung kommen wird. 100.000 Unterschriften genügen, um eine Abstimmung auf Bundesebene zu erzwingen.
Parallel laufen Initiativen, die eine Volksabstimmung zum Austritt der Schweiz aus der WHO sowie die Sicherstellung des Erhalts von Bargeld als primärem Zahlungsmittel im Lande fordern. Um die Erfolgschancen beider Unterfangen dürfte es nach den Entwicklungen der vergangenen zweieinhalb Jahre nicht allzu schlecht stehen. In Summe bestärkt mich die Situation in der Schweiz in der Annahme, dass ein selbstbestimmtes, friedliches, naturverbundenes und glückliches Leben hier auch in den kommenden Jahren möglich sein wird.
Daher mag es sich lohnen, hier seine Zelte aufzuschlagen. Zumindest fürs Erste. Fragt sich, wie geht das? An dieser Stelle dünkt mich, es sei essenziell, zunächst mit einem gängigen Vorurteil aufzuräumen: Nein – man muss nicht reich sein, um in die Schweiz zu gehen. Als ich mich hier 2008 um einen Job bewarb, besaß ich keinerlei finanzielle Rücklagen. Dafür Motivation, Disziplin und Improvisationsvermögen.
Ich lieh mir etwas Geld. Für einen langstreckentauglichen Gebrauchtwagen sowie die Erstausstattung einer kleinen Dachgeschosswohnung, die ich nach Unterzeichnung des Arbeitsvertrages mit einem Unternehmen in Bern angemietet hatte.
Kann man ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nachweisen, kommt man zügig an eine kleine Wohnung. Mit Arbeits- und Mietvertrag in der Tasche wird man anschließend auf dem Rathaus des neuen Wohnortes vorstellig und erhält – zumindest als EU-Bürger – unkompliziert und innerhalb von Minuten seinen Aufenthaltstitel Typ B, der zunächst auf fünf Jahre befristet ist. Wird man nicht arbeitslos, kriminell oder fällt permanent der Sozialkasse zur Last, ist die Verlängerung des »Ausländerausweises« im Turnus von fünf Jahren reine Formsache.
Arbeitnehmer bis zu einem Alter von 30 Jahren bekommen von der Arbeitsagentur einen Job zugewiesen, sollten sie arbeitslos werden und das Engagement um die Stellensuche stagnieren. Das zeitigt die Folge, dass ein arbeitssuchender Bankkaufmann hier durchaus temporär im Call-Center oder Straßenbau arbeiten muss. Obwohl die Behörde natürlich versucht ist, fachfremde Beschäftigungen zu vermeiden. Faul herumlungern ist als Twen jedenfalls schwierig. So rangiert die Arbeitslosenquote in der Alpenrepublik durchschnittlich zwischen zwei und drei Prozent.
Wer mit dem Gedanken spielt, in der Schweiz Wohnsitz zu fassen, sollte sich also zunächst um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bemühen. Das ist der einfachste Weg, wenn man nicht als Großkapitalist rübermacht. Fachkräfte und Handwerker sind immer gesucht, deutsche Arbeitsmoral und Disziplin geschätzt. Offene Stellen findet man auf diversen Webseiten. Unter anderem beim »Staatssekretariat für Wirtschaft« (SECO), auf Jobagent.ch oder Jobs.ch. Eine Unterkunft sucht man am besten über ImmoScout24 oder Homegate. Preisvergleiche sowie aktuelle Informationen zu Versicherungen und Ähnlichem und bietet Comparis. Andere Länder machen es einem deutlich schwerer, einzuwandern.
Bei allem Optimismus: Die internationale Natur des coronalen Coup d’Etat stellt den Freiheitsliebenden dieser Tage vor historisch neuartige Herausforderungen, weil der euphemistisch als »Zeitenwende« deklarierten, neofeudalen Ermächtigung nicht mehr durch das simple Überqueren einer Landesgrenze zu entkommen ist. Das Paradies wartet nicht mehr hinter einer Mauer im Westen. Auch in der Schweiz herrscht neoliberaler Turbokapitalismus. Die kulturelle, politische sowie ökonomische Hegemonie von Technokraten und Endzeitsekten stellen der Vernunft verschriebene Menschen in jedem vom bösartigen Tumor neulinker Deutungshoheit durchwucherten Land vor eine Herausforderung.
Denn auch wenn Staaten nationale Interessen verfolgen, Regierungsvertreter um eine exponierte Rolle am Verhandlungstisch der multipolaren Weltordnung buhlen, Nationalstolz, Traditionen und Lokalkolorit das Leben in verschiedenen Ländern etwas unterschiedlich gestalten – dem einen, übergeordneten Konzept folgen mittlerweile alle 193 UN-Mitgliedsstaaten –, einer von Korporatismus getragenen Technokratie. Ob links, grün, liberal, konservativ oder rechts – wenn es um Macht und Geld geht, ziehen die Public-Private-Partnerships der supranational konstituierten Global Governance am gleichen Strang. An jenem, aus dem der freiheitlich organisierten Zivilgesellschaft langsam, aber sicher der Strick gedreht wird.
Derzeit unterstützt mich jedoch meine Auslandserfahrung sowie simple Stochastik in der Überzeugung, dass es um die Chancen der Schweiz, nicht allzu tief in den globalen Strudel kreativer Zerstörung, dem die Zivilisation von elitären Zirkeln derzeit ausgesetzt wird, hineinzugeraten, besser bestellt ist als für die meisten anderen Fleckchen Erde.
Nachvollziehbarerweise ist die Versuchung, an Althergebrachtem festzuhalten, groß. Loslassen immer schwer. Der Homo Sapiens leidet unter seiner intrinsischen Präferenz für Routine. Zu akzeptieren, dass die Welt nie mehr so sein wird, wie sie vor Ausrufung des »New Normal« war, ist schmerzhaft. Allenthalben erliegt man dem Trugschluss, dem von der herrschenden Klasse losgetretenen Transformationsprozess irgendwie entgehen, Liebgewonnenes und Tradiertes bewahren zu können. Dem ist aber nicht so – wie speziell die makroökonomischen Entwicklungen jüngster Vergangenheit belegen. Selbst wer den nassforschen mRNA-Drückerkolonnen während der Corona-Krise standhaft die Stirn bot, wird nun spätestens durch den ökonomischen Suizid des Systems im Frühjahr und Sommer 2022 zu rapidem Umdenken gezwungen.
»In einem wankenden Schiff fällt um, wer stillsteht und sich nicht bewegt.« (Ludwig Börne, 1786 - 1837)
»Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung«, schrieb der griechische Philosoph Heraklit vor knapp 2.500 Jahren. Dieses Zitat hat bis dato kaum an Aktualität eingebüßt. Und vielleicht ist es genau jetzt an der Zeit, den Wesenskern dieses klugen Satzes zu verinnerlichen, sich auf die essenziellen Dinge des knapp bemessenen Daseins zu fokussieren – und den Moment zu leben, Carpe Diem! –, anstatt überholten Denkschablonen, starren Lebensentwürfen und plumpfüßigen Sicherheitsversprechen für einen Sankt-Nimmerleins-Tag nachzuhängen, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit kaum jemals geringer gewesen sein dürfte.
Man sollte die Zukunft nicht voraussehen, planen oder kontrollieren wollen, sondern möglich machen.
Bild: Mackenzie Thorpe